Die Tage werden merklich kürzer. In zehn Tagen findet die Tag- und Nachtgleiche statt. Kein Wunder, dass die Sonne aktuell um halb acht untergeht. Dann beginnt die ‚Blaue Stunde‘, ein Leckerbissen für Fotografen. Aber man hat nicht viel Zeit, bis es so dunkel wird, dass das Fotografieren unmöglich wird. Ohne Licht gibt es keine Fotos. Ein paar Tricks helfen, vor allem ein Stativ. Leider ist das nicht mein Ding, mir ist es zu schwer und der Aufbau zu umständlich. Am liebsten bin ich mit leichtem Gepäck unterwegs und deshalb versuchte ich es dann lieber mit einem sehr lichtstarken Objektiv. Eine Festbrennweite, die auch nicht meine erste Wahl ist, weil das Zoom-Objektiv viel bequemer ist. Statt hin und her zu laufen, bis man den richtigen Abstand gefunden hat, kann man dort einfach die Brennweite so einstellen, dass alles passt. Aber man muss auch mal Neues ausprobieren und so kam es, dass ich mit einem nagelneuen Objektiv unterwegs war und ausprobieren wollte, was damit möglich ist.
Zum Glück wird es in der HafenCity nie richtig dunkel, jedenfalls nicht vor Mitternacht, und so boten sich mir viele Gelegenheiten. Mein Spaziergang begann in der Elbphilharmonie. Genauer gesagt auf der Plaza, die bis täglich bis Mitternacht geöffnet ist. Im Konzertsaal hatten die Musiker bereits mit dem Spielen begonnen und danach ist es auf der Aussichtsplattform meistens sehr ruhig. Dann kommen nur noch wenige Besucher, um einen Rundblick über Hamburg zu geniessen.
Eigentlich ist so eine Festbrennweite eine gute Sache. Das Objektiv ist leicht und die Technik optimal. Die Ingenieure konnten sich ganz auf eine Brennweite konzentrieren und haben dafür die Linsen optimal eingestellt. Ich bin überrascht, wie schnell das Tageslicht verschwindet. Bei fast jedem Foto muss ich die Blende weiter öffnen und als das nicht mehr möglich ist, versuche ich durch längere Belichtungszeit möglichst viel Restlicht einzufangen. Im Grundkurs für Fotografie lernt man, dass es noch ein drittes Stellrad gibt, nämlich den ISO-Wert. Ich bin aber an diesem Abend irgendwie so sehr mit dem neuen Equipment (auch die Kamera ist ungewohnt) beschäftigt, dass ich das irgendwie vergesse. Erst Zuhause fällt es mir wieder ein und schon habe ich einen triftigen Grund, am nächsten Abend noch einmal loszulaufen. Learning by doing.
Glück muss man haben und mir war es vergönnt. Zu all den fotogenen Motiven, die ich gefunden hatte, gesellt sich auch noch ein leuchtender Mond am Himmel. Noch nicht ganz rund, aber auf dem Weg zum Vollmond. Der Herbst hat zwar gerade erst begonnen und tagsüber wärmt die Sonne noch mächtig, aber ich konnte eine leichte Vorfreude auf die Weihnachtszeit nicht verdrängen. Die Lichter der Großstadt, ihr Glanz in den Spiegelungen, sind märchenhaft. Das war eines der Gründe, warum ich eine meiner vielen London-Reisen immer im Dezember gemacht hatte. Nun brauche ich es nicht mehr, denn jetzt habe ich den Zauber vor der eigenen Haustür.
Mit meinen Bildern bin ich zufrieden. Weil bisher noch kein Meister vom Himmel gefallen ist, vermute ich, dass auch ich mit der Zeit noch ein wenig mehr aus den Fotos herausholen kann. Für den ersten Versuch bin ich aber mit meiner Ausbeute recht zufrieden und ich werde mal darüber nachdenken, ob die leichten, kleinen Festbrennweiten nicht doch die bessere Wahl sein könnten.