Alles nur geklaut?

Der Sommer 2024 verabschiedet sich auf denkbar angenehmste Weise. Man möchte ihm hinterherrufen: „Komm bald wieder!“ Ich lasse mich von den letzten warmen Tagen motivieren und packe schon morgens meine Fototasche, um einen kleinen Ausflug zu machen. Ich möchte mir endlich einmal das ‚andere Ende‘ der HafenCity ansehen. Gefühlt beginnt sie im Westen, wo die Elbphilharmonie steht. Und das Ende der Planungsfläche liegt im Osten und soll mit dem Elbtower ein äquivalentes bauliches Ausrufezeichen erhalten. Dort bin ich bisher noch nie gewesen, habe immer nur die Riesen aus der Ferne sehen können. Denn es scheint sich um einen Treffpunkt der Giganten zu handeln. Schon Ende des 19. Jahrhunderts streckte sich einer von ihnen über die Norderelbe und verband Hamburg mit Harburg. Ich meine natürlich die Elbbrücken, genauer gesagt die Norder-Elbbrücke. An ihrer Seite entsteht der Elbtower, der hoffentlich bald weitergebaut wird. Andere Bürohäuser sind schon fertiggestellt (Vattenfall oder Edge Workspace). Und mittendrin liegt der Bahnhof Elbbrücken, der die Linien U4, S3 und S5 verbindet. Er liegt an der Freihafen-Elbbrücke, die parallel zur großen Schwester verläuft.

Das Timing stimmte, man hatte die Linie U4 vor Baubeginn fertiggestellt. Das war wichtig, denn sonst wäre die HafenCity nur schwer erreichbar gewesen. Außerdem verläuft die Trasse tief unten den Häusern und oftmals unter den Hafenbecken. Eine gigantische Aufgabe, aber das gilt vermutlich für alle Tief- und Hochbauten in diesem neuen Stadtteil. Der Bahnhof ist Endhaltestelle für die U4. Kurz bevor der Zug ihn erreicht, muss er erst einmal zeigen, dass er auch klettern kann. Gut 50 Meter Höhenunterschied sind zu bewältigen, um vom Tunnel bis in die luftige Höhe des neuen Bahnhofs zu kommen. Der liegt nämlich hoch oben über der Elbe, ist also gleichzeitig eine attraktive Aussichtsplattform. Alles wurde verglast und um den Bahnsteig der anderen Linien zu erreichen, nutzt man einen ebenfalls gläsernen Tunnel, der hoch durch die Luft führt. Da haben sich die Planer richtig ausgetobt und die Macher haben es verwirklicht. Ich war also sehr gespannt. Und als ich dann dort ankam, hatte ich ein heftiges Déjà-vu-Erlebnis. Das alles hatte ich nämlich schon einmal gesehen und zum Glück auch fotografiert. Hier also der Vergleich zwischen dem Bahnhof Elbbrücken in Hamburg und Canary Wharf in London.

 

 

Ich musste nur zwei Stationen fahren, um die Elbbrücken zu erreichen. Zurück will ich zu Fuß gehen und werde mich später darüber wundern, dass die Strecke bequem bewältigt werden kann. Obwohl anfangs, also nahe der Elbbrücke, noch vieles im Rohbau ist, hat man glücklicherweise die Wege am Hafenbecken bereits fertiggestellt und durchgehend offen gelassen. Ich muss also nicht die viel befahrene Versmannstraße entlanggehen, sondern spaziere über den Versmannkai, immer entlang des Baakenhafen. Hier ist es deutlich ruhiger als im westlichen Teil der HafenCity, was sicherlich auch daran liegt, dass sich kaum ein Besucher hierhin verirrt. Sollte der Elbtower eröffnen, dann wird sich das schlagartig ändern, denn auch dort soll eine Aussichtsplattform für alle angeboten werden. So wie die Plaza in der Elbphilharmonie, aber noch viel höher gelegen. Das wird sicherlich eine besondere Attraktion. Ansonsten war ich überrascht, als ich erst kürzlich erfuhr, dass im Elbtower keine Wohnungen geplant wurden. Die Flächen werden als Büro, Hotel, vielleicht auch Event-Location genutzt werden, aber nicht um dort zu leben. Der Grund ist die Lage, die nämlich denkbar schlecht ist! Vor der Tür donnert der Lkw-Verkehr über die Straße und hinten rauschen die Züge vorbei. Das ist wirklich nicht attraktiv, jedenfalls nicht als Wohnort. Trotzdem gefällt mir die Idee, dort einen echten Wolkenkratzer hinzuzusetzen. Das wird Hamburg gut zu Gesicht stehen und niemanden stören, weil dort eben kein Wohngebiet ist.

 

 

Auch am Baakenhafen hat man kleine Geschäfte vorgesehen, die den Kai beleben sollen. Noch aber stehen die meisten leer und diejenigen, die es bereits gewagt haben, kann ich nur um ihren unternehmerischen Mut bewundern. Hoffentlich halten sie durch und fahren bald die verdiente Ernte ein. Mir begegnen nur ganz wenige Menschen, einige wohnen hier, andere sind wohl Touristen, die sich ein Leihfahrrad geliehen haben. Am Baakenhafen ist es ziemlich ruhig, denn Schiffsverkehr gibt es hier nicht. Der endet spätestens bei der Elbphilharmonie und die Binnenschiffe, die die Elbe flussaufwärts fahren, nutzen die Fahrrinne in der Norderelbe. An einigen Tagen legen die Schiffe der Hurtigruten hier am provisorischen Kreuzfahrtterminal an. Nächstes Jahr wird der Neubau eröffnet, der dann vor den Türen des Westfield Center liegen wird. Das wird der HafenCity noch einmal einen kräftigen Aufschwung bringen, denn trotz aller Umwelt-Unverträglichkeiten sind die Schiffe wunderschön anzuschauen. Die Frage, ob der Elbtower gebaut oder womöglich abgerissen wird, steht wie der sprichwörtliche Elefant im Raum. Ohne den Wolkenkratzer könnte die HafenCity an dieser Seite nichtssagend enden und irgendwie in Vergessenheit geraten. Mit dem Bau würde es ein Besuchermagnet werden und eine der attraktivsten Orte im neuen Stadtteil. Ich hoffe sehr, dass man sich einigen kann und Investoren findet, die das Wagnis eingehen. 

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert