Der Alsterkanal

Hamburg die Stadt am Wasser. Mittendrin ein Hafen an der Elbe, dazu ein Alsterbecken und unzählige Kanäle. Wir haben mehr Brücken als Venedig. Hurra, Weltmeister! Aber wem dienen diese Brücken? Den Besuchern oder dem Berufsverkehr? Nun, fast immer beiden Gruppen. Ich sollte vielleicht eher fragen, ob die Kanäle zur Erholung dienen oder eher ein übrig gebliebenes Relikt aus früheren Zeiten sind. Damals, als der Hafen noch vor den Toren der Altstadt lag und die Schiffe ihre Fracht in Schuten umluden, die dann ihren Weg über die Alster bis nach Ohlsdorf oder gar Wellingsbüttel fanden. Heute wird niemand mehr per Wasserseite beliefert, weder in der Stadt noch im Freihafen. Wenn man ein Schiff auf dem Alsterkanal sichtet, dann ist es fast immer eine Schute, die Baumaschinen oder -material geladen hat, weil irgendwo gerade wieder eine Brücke oder eine Schleuse repariert werden muss. 

 

Karte: © OpenStreetMap | Lizenz: Open Database License (ODb) | Meinen Weg habe ich schwarz eingestrichelt.

 

Ein Spaziergang entlang eines fließenden Gewässers ist eine vielversprechende Idee. Ich kenne es aus London, wo meine Fototouren immer entlang der Themse verlaufen. Das hat einen triftigen Grund, denn dort sind die schönsten Gebäude zu sehen und dort spielt die Musik. An beiden Themseufern sind breite Wege gebaut worden, die vom Parlament in Westminster bis zur Tower Bridge reichen. Man findet dort unzählige Restaurants, Theater und Sehenswürdigkeiten. Dazu fast ganzjährig Festivals und im Winter gleich mehrere Weihnachtsmärkte. Tolle Sache, die kilometerlange Flaniermeile ist ein geliebter Treffpunkt für jeden Touristen und natürlich auch für die Londoner. Es wurde also für mich mal Zeit mir das Leben an den Hamburger Fleeten anzusehen. Gut, der Zeitpunkt war nicht ideal, denn noch gab es Beschränkungen wegen der Corona-Pandemie. Aber zum Erkunden der besten Plätze war es ein guter Zeitpunkt. Ich startete an den Alsterarkaden und folgte dem Alsterfleet bis zum Hafen.

Schon bei der Planung meiner Route war ich überrascht, dass die meisten Fleete gar keinen Fußweg haben. Oder nur sehr kurze Passagen, die an einer Hauswand oder im Nirwana enden. Einzig das Alsterfleet bietet wenigstens einseitig einen Weg, der von der Binnenalster zur Elbe führt. Groß ausgeschildert als ‚Alsterwanderweg‘. Nun ja, den kenne ich aus meiner Kindheit, verbinde ihn aber eher mit der Oberalster ab Ohlsdorf. Übrigens, ein wunderschöner Weg, mitten in der Natur. Jetzt bin ich aber in der Innenstadt, und will dem Kanal bis zum Hafen folgen. Dabei passiert man die Alsterschleuse, die das Alterfleet und damit auch die Binnenalster vor Ebbe und Flut abschirmt. Ich marschiere also los, die Kamera griffbereit und die Augen weit geöffnet. Ich bin fast alleine unterwegs, aber das hatte ich nicht anders erwartet. Die ersten Geschäfte und Restaurants haben wieder geöffnet, aber noch immer gilt Maskenpflicht, sogar im Freien an belebten Plätzen wie dem Jungfernstieg.

 

 

 

Ich mache es kurz, Sie ahnen sicher schon, worauf es hinauslief. Der Weg war eine herbe Enttäuschung. Da haben die Hamburger ein Gewässer zwischen Neu- und Altstadt, bzw. sogar mehrere Fleete, und die sind für Erholungszwecke kaum nutzbar. Weder für die Hamburger Bürger noch für Touristen hat man hier irgendwelche Angebote gemacht. Etliche Hotels säumen zwar den Weg, alles große Namen, aber ihre Gäste werden wenig Freude an der eigentlich schönen Umgebung haben. Statt den Wasserwegen zu folgen, werden sie die Straßen nutzen müssen. Statt draußen, am Kanal Kaffee zu trinken, bietet man ihnen ‚Sitzsäcke‘ an der Straßenkreuzung an (gesehen auf der Mönckebergstrasse, Ecke Rathausmarkt). Da hocken sie dann auf den unförmigen Kissen und starren in den Verkehr. Die Autoabgase umwehen ihre Köpfe und vielleicht haben sie deshalb so einen merkwürdigen Gesichtsausdruck. Jedenfalls konnte ich wenig Freude unter ihnen ausmachen.

Auf dem ganzen langen Weg, entlang des Alsterfleets, sah ich so gut wie keine Bank. Auch keinen Baum oder wenigstens ein paar Blumen. Umso mehr fiel mir ein kleiner Rasenfleck auf, der nach einer Unterführung auftauchte. Endlich ein Stück Natur in dieser betonierten Tristesse dachte ich mir. Der kleine Rasenfleck trennte den Fußweg von der deutlich höher gelegenen Straße. Mitten darauf ein Schild: ‚Privatgrundstück. Hunde fernhalten.‘ Mir kommt sofort eine Frage in den Sinn, nämlich wie viel Geld der Besitzer dafür bezahlt hat? Vermutlich ganz ohne Anlass, denn mir ist kein einziger Hund begegnet.

 

Ein winziges Stück Rasen, mit einem Verbotsschild. Willkommen in Deutschland lieber Gast.

 

Das war also meine erste Fleet-Tour. Irgendwie ganz anders als gedacht. Ja, ein richtiger Reinfall. Aber ich gebe nicht auf und werde in ein paar Wochen noch einmal die Strecke ausprobieren. Dann vielleicht mit Abstecher zu den Landungsbrücken, wo mehr los ist und wo man Bänke findet, um zu pausieren. Für den Heimweg nehme ich wie immer die U-Bahn und habe mir Messberg als Haltestelle ausgesucht. Um dorthin zu kommen, muss ich noch ein Stück am Zollkanal entlang gehen. Da sieht es besser aus. Der Weg ist viel breiter angelegt und auch viel sauberer. Die Kulisse ist sehenswert, es sind nämlich die alten Backsteinhäuser der Speicherstadt. Sie gehören längst zum Weltkulturerbe. Das ganze Stadtviertel, der alte Grasbrook, heute HafenCity, scheint eine gute Entwicklung zu nehmen. Jedenfalls hat man bei der Planung die Menschen nicht vergessen, die hier einen schönen Tag erleben möchten. Das gefällt mir und natürlich werde ich mir das bald näher ansehen und die Fotos dann hier zeigen. Aber für heute ist genug, ich brauche jetzt eine Pause, eine Tasse Kaffee und ein nettes Plätzchen.

 

Ein wenig tiefer gegraben

Die Alsterarkaden sind ein Hamburger Hingucker. Hier findet man feine Geschäfte, gute Restaurants und neugierige Schwäne. Eigentlich ist es ein überdachter Durchgang vom Jungfernstieg bis zur Schleusenbrücke. Die Architekten de Chateuneuf und Semper griffen auf venezianische Vorbilder zurück und sie hatten auch einen Aussichtsplatz im Sinn, denn das gegenüberliegende Rathaus gehört ebenfalls zur Planung. Nach dem Großen Brand wurden die Bürgerhäuser an der Kleinen Alster 1846 fertiggestellt. Die Arkade ist ein Teil davon und war von Anfang an als Einkaufspassage konzipiert.

Vor gut vierzig Jahren, Ende der 80er Jahre, bricht ein Brand im Vegetarischen Restaurant aus. Es liegt in der Mitte der Arkaden, im ersten Stock. Die Flammen greifen schnell um sich und die Feuerwehr kann nur mit massivem Wassereinsatz das Feuer löschen. Dabei wird die Bücherstube Felix Jud überschwemmt und auch Ladage & Oelke nehmen Schaden durch das Löschwasser. Vermutlich war Brandstiftung die Ursache. Schon bald ist man sich einig, dass das Haus und der Arkadengang neu aufgebaut werden soll.