Cruise Days 2023

Welches Sprachtalent hat bloß den diesjährigen Slogan erdacht? Er ist in großen Lettern überall auf der Festmeile zu lesen: „Hamburg, mit Dir will ich Schiffen winken.“ Ist das korrektes Deutsch? Vermutlich, aber irgendwie so sperrig, dass es nicht über die Zunge rutschen will. Die englische Übersetzung klingt besser, ist aber meilenweit vom britischen Sprachwitz *) entfernt: „Hamburg, let’s wave at ships together.“ Meine Güte, das hätte man auch besser machen können. Zum Glück waren die Verantwortlichen nicht für das Wetter zuständig, das war nämlich perfekt. Fast zu gut, denn die Sonne brannte gnadenlos vom Himmel und selbst am Abend waren die Temperaturen noch nahe der 30° Grad Marke. Wer nicht genug Wasser getrunken hatte, wurde schnell Opfer der merklichen Schwüle. Die Rettungsteams hatten gut zu tun. Aber trotzdem war das natürlich die beste Kulisse für eine Kreuzfahrt Werbung.


*) Kostprobe des britischen Sprachwitzes

Gestern wurde das Abschlusskonzert der diesjährigen BBC Promenadenkonzerte in der Royal Albert Hall gespielt. Bei uns bestens bekannt als ‚Last Night of the Proms‘. Es war heiß, denn die RAH hat keine Klimaanlage und die Hitzewelle hatte auch London fest im Griff. Fast 90 Grad Fahrenheit kochte die Stadt auf. Das sind gut 30 Grad Celsius, es hört sich aber noch deutlich dramatischer an. Die Dirigentin, die von mir hochgeschätzte Marin Alsop, sprach das Publikum auf die Hitze an. Sie bewunderte die Zuhörer für ihre Ausdauer, denn die verfolgen die Musik traditionell stehend. Sie offenbarte der „wonderfully robust audience“: „You have to stand the whole time. That’s amazing because my feet are killing me, I don’t know about you.“ Der Abend war großartig. Im zweiten Teil gab es keine musikalischen Experimente, sondern genau das, was die Leute hören wollen. ‚Rule Britannia‘ und ‚Pomp and Circumstances‘ und so fiel der Kommentar über die Leistung der Musiker und ihrer großartigen Dirigentin kurz und bündig aus: „Best Proms ever, they blew the roof off!“ 


Bevor ich nun zu lange auf die Fehler der anderen zeige, übe ich mich lieber in Selbstkritik. Denn ich brauchte die Hilfe eines ca. 5-jährigen Kindes, um einen jahrelangen Irrtum aufzuklären. Schon letztes Jahr war ich Besucherin der Cruise Days und bereits damals konnte ich nicht verstehen, wieso nirgends ein Werbeblatt zu finden war. Auf der Webseite des Veranstalters findet man einen Flyer mit allen wichtigen Orten und Zeiten, aber in Papierform wurde das Ding nirgends angeboten. Sollte man es sich wirklich selbst ausdrucken? Das Einzige, was ich entdecken konnte, neben dem verunglückten Slogan, war die Matrosenfigur, selbstverständlich als Frau und Mann dargestellt. Die Figuren werden vor allem für Fotos genutzt, indem sich Vater oder Mutter in möglichst witziger Pose daneben stellen. Kaum ist die Aufnahme gemacht, drehen sie ab und schlendern weiter über den Landungsbrücken Boulevard. Mir war aufgefallen, dass die Matrosen eine Gürteltasche trugen, die nicht gesichert war. Man hätte sie leicht abschnallen können, was ich natürlich nicht tat, obwohl es noch früh am Morgen war. Kein Augenzeuge weit und breit zu sehen, nur ein paar andere Frühaufsteher, die vor dem Besucheransturm mal schauen wollten. Darunter eine junge Familie mit dem bereits erwähnten Jungen, der schnurstracks zu dem Papp-Matrosen lief. Es war die Gürteltasche, die ihn interessiert. Der Kleine musste sich schon ziemlich strecken, um sie zu berühren. Aber er mache es zielsicher und zog dann ein kleines Faltblatt heraus. Mir klappte der Unterkiefer herunter. Du meine Güte, dort waren die Flyer versteckt. Mit anderen Worten überall zu finden, aber irgendwie den meisten Besuchern wohl nicht bewusst.  

 

Das Maskottchen der Cruise Days mit gut versteckten Programmheft in der Gürteltasche. Im Hintergrund die ‚Vasco da Gama‘ und die ‚Cap San Diego‘.

 

Ich hatte meine Lektion gelernt und ging nach Hause. Erst am Abend wollte ich noch einmal zurückkehren, denn dann sollte die große Parade stattfinden. Etliche Kreuzfahrtschiffe würden dann die Landungsbrücken passieren und sich auf ihren Weg zum nächsten Reiseziel zu machen. Dazu zeigte man eine Lasershow, spielte Musik und krönte das Ganze mit einem großen Feuerwerk. Bei dem tollen Wetter war klar, dass in Sichtnähe kein Platz mehr frei sein würde. Geheimtipps wie die Stintfang Terrasse sind bei solchen Gelegenheiten auch rappel voll, da hatte ich keine Lust mich hineinzuzwängen. Aber ich hoffte auf eine Foto-Chance etwas Abseits vom Trubel. Nämlich gleich vor meiner Haustür, wo die Norderelbe vorbeifließt. Eigentlich müssten sich die Schiffe dort sammeln, um dann in Slow Motion an der Partymeile vorbeizuziehen. Und damit lag ich richtig. Es dauerte gar nicht lange und wie aus dem Nichts tauchte der gewaltige Bug der ‚Vasco da Gama‘ auf, wohl keine 20 Meter vom Ufer entfernt. Ein einzelner, kleiner Schlepper hatte das Schiff an der Leine. Es wirkte, als würde ein Kleinkind einen ausgewachsenen Ochsen spazieren führen. Ein zweiter Schlepper dümpelte seitlich, war aber nicht verbunden. Vermutlich war er nur für den Notfall vorgesehen, wenn dem aktiven Kollegen der Sprit ausgeht oder Ähnliches. Der Anblick des hell erleuchteten Schiffes war gigantisch und es gab wohl kaum jemanden, der nicht das Gänsehaut-Gefühl verspürte.

 

 

Bei aller Begeisterung sollte man auch die Kritiker anhören, die auf die Schattenseiten der Kreuzfahrt hinweisen. Da wird eine große Menge an Schweröl verbrannt, was nicht nur stinkt, sondern auch noch die Luftqualität in der Stadt beeinträchtigt. Ich kann es bestätigen, der ‚Duft‘ lag in der Luft und natürlich konnte ich ihn auch in meiner Wohnung wahrnehmen. Schließlich lebe ich vom Elbstrom keine hundert Meter entfernt. Da muss man abwägen, bevor man sich entscheidet. Und so ist es auch mit dem Cruise Days Event. Es wirbt für eine eher problematische Freizeitgestaltung, macht aber ungeheuer viel Spaß. Es bringt ein Dutzend Schiffe nach Hamburg, die jede Menge verbranntes Schweröl aushusten, ist aber auch eine unbezahlbare Werbung für die Stadt. Das Event wird weltweit wahrgenommen und lockt unzählige Touristen zum Hamburg-Kurzurlaub an. Nach meinem Kenntnisstand finden die Cruise Days alle zwei Jahre statt, das nächste Mal also erst im September 2025. Das würde mir gefallen, dann erneut dem Spektakel zuzuschauen. Und wer weiß, ob dann nicht die Zusage wahr gemacht wird, die bereits zwischen Hamburg und den Reedereien vereinbart wurde. Nämlich die konsequente Nutzung von Landstrom, der an den Terminals inzwischen vorhanden ist. Damit würde man dem Schutz der Umwelt gerecht werden. Bisher nutzt wohl nur eine Reederei diese Möglichkeit, aber ich denke, das könnte sich bald ändern. Da ist dann ein wenig öffentlicher Druck durchaus hilfreich.

 

Mit gut 200 Meter Länge nur halb so groß wie ein Container Schiff der A-Klasse, aber trotzdem ein Riese neben den zahlreichen Booten im Hamburger Yacht Hafen.

 

Dann rufe ich mal ‚Ahoi Kameraden! Mast und Schotbruch und immer eine Handbreit Wasser unter’m Kiel.‘ Und wer will, kann dann ja auch noch ‚Schiffen winken‘. Bis nächstes Mal und gute Reise.