Eine rechteckige Fläche von ca. 200.000 qm in St. Pauli, gleich neben dem Fußballstadion, trägt den Namen Heiligengeistfeld. Ehemals (um 1500) gehörte es dem Hospital zum Heiligen Geist, die es als Weideland nutzten. Später (Anfang 17. Jahrhundert) nutzte man den Platz als Exerzierfeld. Erst ab Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Gebiet für Amüsierzwecke verwendet. Man baute dort Panoramen auf und im Winter eine Eislaufbahn. Im Jahr 1893 fand hier erstmals der Dom statt. Anfangs nur im Winter, dann kam 1947 das Hummelfest hinzu, der heutige Sommerdom und ein Jahr später auch noch das Frühlingsfest. Bis heute kommen die Schausteller dreimal jährlich in Hamburg vorbei und laden zum Dom ein. Seit vorgestern ist es wieder so weit und ich dachte mir, ich könnte das eigentlich mal fotografieren. Dazu habe ich mir eine ungewöhnliche Tageszeit ausgesucht, nämlich den Vormittag. Erst am Nachmittag öffnen die Fahrgeschäfte und abends wird es dann bunt. Die Bilder kennt man. Wie aber sieht es dort aus, wenn die Schausteller noch ganz unter sich sind?
Die Betreiber der Fahrgeschäfte und Imbissbuden wohnen auf dem Marktgelände. Ihre Wohnwagen stehen versteckt hinter den bunten Ständen. Ihr Tag ist lang, deshalb frühstücken sie erst spät am Morgen. Damit sind sie gerade fertig und nun gibt es zwei Dinge, die täglich als Erstes zu erledigen sind: Der Hund muss Gassi gehen und der Müll vom Vortag muss entsorgt werden. Beides kann man gut miteinander verbinden. Es gibt offensichtlich eine zentrale Sammelstelle für den Abfall und dorthin werden die prall gefüllten Müllsäcke transportiert. Manche packen sie in den Kofferraum, andere haben kleine Handwagen, die auch von den Kindern gezogen werden können. Die sind mit dabei, wachsen in einer sehr besonderen Welt auf. Wie es mit dem Schulbesuch geregelt ist, weiß ich leider nicht. Aber zurzeit hat ganz Deutschland Schulferien, da können sie bei ihren Eltern mitreisen.
Es ist Jahrzehnte her, als ich auf dem Dom war. Mein Verhältnis zu dem Volksfest war immer zweigeteilt. Einerseits war es ein Ereignis, dass sich nicht oft bot, andererseits machte mir dort viele Dinge Angst. Ganz besonders das Feuerwerk am späten Freitagabend. Das ist noch heute so, dass mir der Lärm zu laut ist. Damals wusste niemand von meinem Asperger-Syndrom. Heute würde man wohl zweimal überlegen, ob jemand, der alles doppelt so laut, hell und deutlich wahrnimmt, dort viel Spaß erleben kann. Ich habe es überlebt, wie so vieles.
Die leiseren Attraktionen gefielen mir besser. Der Irrgarten war interessant und auch das Spiegelkabinett. Ich war überrascht, dass es beides noch gibt. Die schnellen Fahrgeschäfte waren nicht mein Ding, weder Achterbahn noch schnell Maus. Auch das Riesenrad war mir eigentlich zu hoch. Und die Geisterbahn habe ich nur einmal durchfahren und war anschließend ziemlich verwirrt. Ich durchschaute zwar den Schwindel, wusste aber nicht, wie ich reagieren soll. Musste ich vor Entsetzen schreien oder durfte ich regungslos bleiben? Ich war es so gewohnt, mich stets anzupassen, dass mir nie in den Sinn kam, das zu tun, was ich selbst als richtig empfand. Eine schmerzhafte Erinnerung habe ich an den Auto-Scooter. Das Steuern schien mir im Blut zu liegen, aber die Fliehkraft beim Bremsen hatte ich unterschätzt. Unser Auto knallte nicht nur auf den Vordermann, sondern ich flog auch gleich noch gegen den massiven Metall-Haltegriff am Armaturenbrett. Gleich zwei Zähne brachen ab, ich blutete schrecklich. Zum Glück waren es Milchzähne. Man tröstete mich, wischte mir die Tränen ab und sagte: „Das wird schon wieder.“ Stimmt, es wuchsen neue nach.