Das Rathaus (von innen)

Die Fotos, die ich hier zeige, gehören zu meinen schönsten. Sie strahlen eine wohlige Wärme aus. Das liegt natürlich am Motiv selbst, also am Rathaus. Im Inneren wurden ausschließlich natürliche Materialien verarbeitet und mir gefällt ganz besonders gut, dass man sich alles Mühe gibt, es stimmig zu erhalten. Man verzichtet also weitgehend auf modernes Equipment; jedenfalls ist davon nichts sichtbar. Gut so. Geprägt wird die Eingangshalle von goldgelben Sandstein, dunkles lackiertes Holz, warmes glänzendes Messing und schöne Laternen mit altmodischen Glühlampen. Alles ist gediegen, zueinanderpassend abgestimmt, aber nie protzig. Man leistet sich in einem der oberen Säle eine Ledertapete, aber keine goldenen Türen. Wenn Sie glauben, eine solche während einer Führung entdeckt zu haben, muss ich widersprechen. Die ‚Prachttür‘ ist auch (nur) aus Aluminium, mit einer Messingbeschichtung veredelt. Trotzdem war es exklusiv, jedenfalls beim Einbau. Damals war das Alu-Leichtmetall etwas ganz Neues und wurde sehr bestaunt.

Die Eingangshalle, ich nenne sie gerne Diele, ist sehenswert. Man darf sie kostenfrei besuchen und kann dabei auch Fotos machen (ohne Blitzlicht). Die Führungen in die oberen Etagen finden regelmäßig statt, man braucht ein Ticket, aber selten kommt es zu Wartezeiten. In der Diele, die man durch den Haupteingang erreicht, trifft man überwiegend auf Touristen. Der Bürgermeister und seine Senatoren betreten das Haus durch Nebeneingänge, wo ihre Fahrer direkt vor der Tür halten können. Ich bin beim Fotografieren einmal genau dort Olaf Scholz begegnet. Der übrigens auch sehr freundlich reagierte, obwohl ich seinem Fahrer ziemlich unpassend im Weg stand. Wahrscheinlich fuhren die damals schon E-Antrieb, ich hatte nämlich absolut nichts von der herannahenden Limousine gehört.

 

 

An beiden Kopfenden der Diele ist jeweils ein zweiläufiges Treppenhaus untergebracht. Bei einem der beiden führen ein paar Stufen in den Ratsweinkeller. Ein Restaurant so alt wie das Rathaus. Ich mag Traditionen und fühle mich hier durchaus wohl. Allerdings ist es zu früh, um dort einen Besuch zu machen. Alle 15 Minuten gongt eine Uhr. Ziemlich laut, aber nicht unangenehm. Ist es die Glocke im Turm? Ich glaube nicht, eher eine kleinere hier in der Diele. Bei Gelegenheit werde ich mal nachfragen.

An einer der Treppen kann ich hinter einem schmiedeeisernen Gitter, eine Anschlagtafel entdecken. Heute würde man wohl von einem ’news board‘ sprechen. Auf der uralten Tafel wird mit hübsch beschrifteten Holzschildern bekanntgemacht, wann die Bürgerschaft tagt und wo welcher Ausschuss zusammenkommen wird. Mir gefällt das und ich freue mich, dass man es noch immer benutzt. Andere hätten hier längst eine digitale Anzeigetafel installiert, die per Remote Computer gesteuert wird.

 

Gleich neben der Tafel ist eine weitere beeindruckende Tür zu finden. Ich sehe sie aber erst, als ich direkt davor stehe. Auf dem Ding steht ‚Fahrstuhl‘. Ob der wirklich in Betrieb ist? Inzwischen denke ich ja, der Lift fährt auf Wunsch nach oben. Aber oft wird man ihn wohl nicht benutzten. Überhaupt ist zumindest dieser Teil, also der Hauptzugang des Rathauses, nicht gerade benutzerfreundlich gestaltet. Wer nicht gut zu Fuß ist, kommt nur mit Mühe in die oberen Etagen. Sicherlich gibt es inzwischen moderne Aufzüge, aber wie war das früher? Was machten damals die Amtsträger, die nicht mehr ganz mobil waren?

Jetzt bin ich schon eine ganze Weile im Eingangsbereich herumgelaufen, ohne dass mich irgendjemand zur Ordnung ruft. Das will ich nicht ausnutzen und gehe deshalb diskret zurück in die große Empfangsdiele. Da tut sich gerade die Tür zum Rathausmarkt auf und eine nicht endende Kette von erwachsenen Menschen strömt herein. Alles Touristen, da muss ein Bus vorgefahren sein. Ich bin die Einzige, die gerade gerne herausgehen würde, habe aber keine Chance. Eine Menschen-Herde überrennt mich gerade. Noch schlimmer sind die Unentschlossenen, die erst einmal wie angewurzelt in der Tür stehen bleiben.  Der Anblick der Diele hat sie offenbar überwältigt und jetzt zücken sie erst einmal ihr Handy, um ein paar Fotos zu machen. Das erledigen sie genau von der Stelle aus, wo sie stehen geblieben sind, also mitten im Eingang, der gleichzeitig als Ausgang dienen soll. Nichts geht mehr und ich bin froh, das ganze von einem sicheren Seitenplatz zu erleben. Andererseits freut mich die Szene, denn so habe ich wieder Futter für diesen Blog bekommen. Und durch das ungeplante Warten entdecke ich auch gleich noch einen Wandbrunnen, der ein Foto wert ist.

 

 

Nein, ich bin kein übertrieben höflicher Mensch und meine Geduld wird fein dosiert verbraucht. Die Kette der Hereinströmenden bricht einfach nicht ab. Dafür stehen inzwischen ein Dutzend Leute hinter mir, die geduldig auf ihren Auslass warten. Bei Straßenbaustellen wird doch auch eine Ampel aufgestellt. Mal hat die eine Spur grün, dann die andere. Also beschließe ich jetzt einstimmig (Bauch und Kopf durften abstimmen), dass wir das Ampellicht wechseln. Nach kurzer Gelbphase sehe ich grün und drängle mich durch. Es klappt. Sofort bleibt die Menge stehen und wir sind am Zug. Freie Bahn für alle, die rauswollen. Zum Glück ist mein Engländer nicht dabei, der hätte bis in die Abendstunden geduldig gewartet und meine Aktion als ‚embarrassing‘, also peinlich, bewertet. Ganz kurz bleibe ich dann doch noch im ‚Windfang‘ stehen, denn dort in der Ecke hängt ein historischer Briefkasten an der Wand. Der ist noch voll im Dienst. Die Gebrauchsspuren sind deutlich, aber das glänzende Ding wird auch regelmäßig auf Hochglanz poliert. Da ist kein Fingerabdruck zu sehen, dafür spiegele ich mich selbst in der Front, das merke ich aber erst als ich das Bild am PC sehe.