Der ganze Otto

Vor einigen Wochen hatte ich Fotos vom Passagierschiff ‚Otto Sverdrup‘ gezeigt. Das Expeditionsschiff der Hurtigruten Reederei legt regelmäßig in Hamburg an. Weil es deutlich kleiner als die AIDA Schiffe ist, wird ihm meistens das Terminal in der HafenCity zugewiesen. Dort behilft man sich mit einer temporär aufgestellten Halle, denn das eigentliche Terminal befindet sich noch im Bau und wird wohl erst 2025 fertiggestellt sein. Aktuell kann ich die Schiffe dort nur aus der Ferne fotografieren, mit einer Großbaustelle im Vordergrund. In beeindruckender Geschwindigkeit wird dort das südliche Überseequartier wortwörtlich aus dem Boden gestampft. Einige Häuser werden bis zu 70 Meter hoch, andere nehmen eine gigantische Fläche in Anspruch. Darunter auch das neue Kreuzfahrtterminal und natürlich das Shopping-Center ‚Westfield‘. Wohnungen, Büros und Hotels entstehen. Dazu ein unterirdischer Busbahnhof und eine U-Bahntrasse. Ab Frühjahr 2024 werden die Mieter einziehen und ein Jahr später legen dann die ganz großen Kreuzfahrer an der neuen Kaianlage, direkt am Nordufer der Elbe, an.

Bis dahin kommen die kleineren Gäste zu Besuch. Unter anderem die MS Europa, die World Voyager oder eben die Schiffe der Hurtigruten. Einmal pro Woche schaut ‚Otto Sverdrup‘ vorbei. Dann schleicht er sich früh morgens an meinem Schlafzimmerfenster vorbei und verlässt Hamburg noch am selben Abend. Während des kurzen Aufenthalts wird die Speisekammer neu befüllt, Getränkekisten an Bord gebracht und die Passagierliste neu geschrieben. Hamburg ist Endstation für alle Mitreisenden.

Bei meinem letzten Beitrag habe ich das Schiff vom Balkon aus fotografiert. Von dort fährt es keine 30 Meter entfernt an mir vorbei, aber mein Blickwinkel wird von Nachbarhäusern begrenzt. Er ist zu eng, um das knapp 140 Meter lange Schiff in einem Stück zu sehen. Gestern habe ich es nachgeholt. Inzwischen kenne ich den Fahrplan und war rechtzeitig am Kai vor der Elbphilharmonie. Fast auf die Minute pünktlich legte das Passagierschiff ab und schob sich wenig später auf der Norderelbe an mir vorbei. Diesmal hatte ich freie Sicht, gutes Licht und das richtige Objektiv dabei. Das Fotoshooting konnte also stattfinden. 

 

 

Die ‚Otto Sverdrup‘ fährt übrigens alleine die Elbe hinab. Sie braucht offensichtlich keinen Schlepper, der sie an die Leine nimmt. Vielleicht liegt es an den Abmessungen (138,5 m x 21,5 m), vermutlich aber besonders am Tiefgang. Der ist nämlich mit max. gut 5 Metern eher gering. Da besteht selbst bei Ebbe keine Gefahr, mit dem Boden der Fahrrinne in Berührung zu kommen. An Bord geht es wohl anders zu, als auf den üblichen Kreuzfahrschiffen. Aus guten Grund nennt man sich Expeditionsschiff und steuert bei jedem Wetter stets in den hohen Norden. An Bord braucht man keine Abendgarderobe, eher eine gute Schneejacke. Und weil viele Fotografen die Tour sehr reizvoll finden, kann man mit fachkundigen Beratern rechnen, die nicht nur die schönsten Motive verraten, sondern auch Tipps geben, wie man Nordlicht richtig einfängt. Mir reichen erst einmal die Lichter im Hamburger Hafen. Jetzt wird es täglich früher dunkel und das stimmungsvolle Schauspiel versöhnt sofort mit dem kürzeren Tageslicht. Da funkeln die Scheinwerfer an den Kranen, auf den Kaianlagen und natürlich auch auf den unzähligen kleinen Schiffen. Die Lichtkegel der Bojen blinken auf dem Wasser und ihr Lichtkegel fällt glitzernd über die Wasseroberfläche. Und wenn man es romantischer möchte, dann geht man in die Speicherstadt und findet sich in einer gänzlich anderen Welt wieder. Eine Märchenwelt, ein wenig unheimlich und rätselhaft, aber gleichzeitig anziehend und höchst anregend. 

Das Schiff ‚Otto Sverdrup‘ hat natürlich einen realen Namensgeber. Man erinnert damit an einen norwegischen Seefahrer und sehr erfolgreichen Polarforscher. Er war mit dem Bruder von Fridtjof Nansen gut befreundet. Über ihn lernte er den Polarforscher kennen und man beschloss gemeinsame Expeditionen durchzuführen. Sverdrup kam 1854 in Norwegen zur Welt und er starb in Oslo im Alter von 76 Jahren. Die Kartierungen, die er während seiner Polarexpedition aufzeichnete, konnte er später für viel Geld an die Kanadier verkaufen. Sie erhielten den Besitzanspruch an das Land. Ich denke, die Reederei hat sich einen guten Namensvetter gewählt, denn der Forscher Otto Sverdrup war eine erfahrener und umsichtiger Mann, der stets gesund und munter zurückkehrte. Das wünscht sich die MS Otto Sverdrup sicherlich auch. Und doch würde es mich nervös machen, wenn ich eine Kabine hätte, von der ich die großen Rettungsboote sehen könnte. Das wäre dann wohl doch nicht das Richtige für mich, denn ganz grundlos nimmt man die ja nun auch nicht mit. Gute Reise, bis nächste Woche, man sieht sich.