Die Gorillas sind los

Ist es denkbar, dass man meinen Blog in der Hamburger Tourismuszentrale liest? Treffen die dort ab sofort ihre Entscheidungen aufgrund meiner launischen Blogbeiträge? Sicher nicht und das ist auch besser so. Aber der Gedanke drängte sich mir geradezu auf, als ich heute Morgen einen Spaziergang über die Mönckebergstraße machte. Das ist Hamburgs Einkaufsmeile, inzwischen gerne auch ‚Mö‘ genannt, die den Hauptbahnhof mit dem Rathaus verbindet. Von den großen Kaufhäusern sind manche für immer geschlossen worden, andere kämpfen ums Überleben. Die Modeketten wechseln, wenn man es an ihrem Angebot auch kaum merkt, aber dazwischen haben sich nach langer Zeit wieder wunderbar kreative Einzelhandelsgeschäfte gedrängt, die den Bummel entlang der Straße endlich wieder spannend machen. Aus dem ‚Roncalli Grand Café‘ dringen herrliche Klänge zu mir herüber. Es ist noch früh und man bereitet die Tische gerade für Frühstücksgäste vor. Das Café ist eine Augenweide, voller Eleganz, Witz und Einfallsreichtum. Dort den Tag zu starten, ist ein Erlebnis, dass man lange nicht vergisst. Endlich stehen wieder Tische und Stühle auf den Gehwegen, endlich gibt es wieder eine Außengastronomie in Hamburgs zentraler Einkaufstrasse. So kann man der starken Konkurrenz im Internet Paroli bieten. Ich werde jetzt ganz bestimmt öfter hier herkommen. Der weite Weg vom Stadtrand aus lohnt sich wieder.

Die eigentliche Attraktion, die mich heute Morgen hier herlockte, ist bereits mitten auf der Straße versammelt. Ein ganzes Rudel Affen, große Gorillas, stehen mitten auf der Mö, Rücken an Rücken, nahe beieinander. Sie haben ihre Köpfe weit in den Nacken gelegt, damit ihre Augen die hohe Hausfront fixieren können, die da vor ihnen steht. Staunend schauen sie auf die Häuser, die uns als Kaufhaus, Restaurant oder Hotel dienen. 

 

 

Die Gorilla-Gruppe kam am Wochenende in Hamburg an. Per Tieflader und Kran. Zwei Wochen lang dürfen sie auf der Mönckebergstraße stehen bleiben, das wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Der Verkehr, also Busse und Taxen, wird umgeleitet. Man hat die Straße kurzerhand zur Fußgängerzone erklärt, damit alle Besucher nach Herzenslust um die Figuren laufen können. Mit einem Mann kam ich ins Gespräch, der die Entscheidung ähnlich wie ich beurteilte. Nämlich erst einmal bei sich selbst nachfragen, ob das denn ‚erlaubt‘ sei. Darf man eine viel befahrene Verkehrsachse einfach zwei Wochen lahmlegen, nur um ein gigantisches Kunstwerk zu präsentieren? Nach kurzer Überlegung waren wir uns einig: Ja, man darf. Man muss es sogar machen, jedenfalls sporadisch. Die Gorillas bewirken nämlich zwei Dinge. Ersten überraschen sie jeden, der an ihnen vorbeikommt und dann, zweitens, lösen sie unwiderstehliche Freude aus. Auch das scheint bei jedem zu funktionieren, denn ich habe es selbst gesehen. Jeder blieb stehen, jeder machte mehrere Fotos, jeder fragte sich welche Botschaft die Gorillas mitgebracht haben und keiner schaffte es an ihnen unbeeindruckt vorbeizulaufen. Auch meine nette Bekanntschaft blieb noch ein wenig, plauderte mit mir und merkte dann erst, dass ja eigentlich ein dringender Termin auf ihn wartet.

Bravo Hamburg, ich applaudiere zu dieser tollen Aktion. Bitte mehr davon. Übrigens ist das City Management verantwortlich, sie hatten die Idee und haben die zwölf Affen auf die Mö gebracht. Bis zum 17. Juli werden sie dort bleiben und schon heute, am Tag zwei kann man feststellen, dass das ein ganz großer Erfolg sein wird.

 

 

 

Die Gorillas wurden von einem chinesischen Künstler erschaffen. Sie sollen auf die Zerstörung der Natur aufmerksam machen und das gelingt unmittelbar. Jeder Affe hat ein ganz eigenes Gesicht, mit starkem Ausdruck, oft staunend und manchmal mit einem Zug von Resignation verbunden. Man braucht keinen Katalog zu lesen, um zu verstehen, was diese Tiere denken. Sie sehen sich unsere Zivilisation an und fragen sich, welchen Nutzen für sie darin zu finden ist. Sie fragen sich wohl auch, wo die Bäume geblieben sind und wo jetzt noch Lebensraum für sie übrig ist. Ein ausdrucksstarkes Werk, mit dem jeder, egal wie alt, leicht in Dialog treten kann. Deshalb finde ich es sehr gelungen. Fünf Sterne von mir.