Die Plaza (Elbphilharmonie)

Jeder weiß, was gemeint ist, wenn man von der ‚Plaza‘ spricht. Natürlich die Aussichtsplattform der Elbphilharmonie. Das Wort bedeutet ‚Platz‘ und stammt wohl aus dem Spanischen, denn die Italiener sprechen von einer ‚Piazza‘, die Franzosen von ‚la place‘ und der Engländer vom ‚place‘. In Hamburg gibt es etliche Plätze, aber nur eine Plaza. In luftiger Höhe, auf 37 Metern, steht man dort und kann ungehindert rund um das ganze Gebäude gehen. Immer am Geländer entlang, mit freiem Blick in alle Himmelsrichtungen. Ein Paradies für Fotografen, besonders bei Dämmerlicht, aber bitte ohne Stativ. 

Die Plaza erreicht man über zwei Rolltreppen. Eine davon besonders lang, mit dem durchaus passenden Namen ‚Tube‘. Ausgeliehen von den Londonern, die damit ihre röhrenförmigen, einspurigen U-Bahn-Tunnel passend benennen. Die Ähnlichkeit ist gegeben, denn die Elphi-Tube hat einen vergleichbaren runden Querschnitt, ist eng, genauso langweilig und ziemlich einfach ausgestattet. Von der Eleganz eines Opernhauses konnte ich hier gar nichts entdecken. Wand und Decke sind rau verputzt und mit glänzenden Kacheln übersät. Ein Muster ergibt sich nicht, es wirkt ein wenig einfallslos oder vielleicht wurden einfach zu wenige Kacheln bestellt, sodass man auf Lücke arbeiten musste.  Macht aber nichts, denn wir sind hier nicht im Konzertsaal, sondern auf einer Rolltreppe. Die läuft extrem langsam, rumpelt sich im Schneckentempo die gut 80 Meter entlang, bis endlich ein Zwischenpodest erreicht ist. Dann geht es noch einmal über eine kürzere Rolltreppe weiter, bis man das Plaza Niveau erreicht hat. 

Die Rolltreppe galt als technische Sensation, denn sie überwindet die 21 Höhenmeter nicht in einer geraden Linie. Irgendwo in der Mitte wird der Steigungswinkel geändert (oder ist es die Richtung?), sodass das Ende des Laufbandes erst spät sichtbar wird. Wahrscheinlich folgten die Designer auch hier ihrem Master-Thema ‚Kurve statt Gerade‘. Ich fand das nicht besonders aufregend, weil man wenig davon mitbekommt. Man steht die ganze Zeit bewegungslos auf einem Fleck und sieht kaum weiter als bis zum Rücken der Leute, die zwei oder drei Stufen vor einem stehen. Gefühl dauert die Fahrt minutenlang und ich fragte mich zur eigenen Ablenkung, was wohl im Notfall passieren wird? Man stelle sich vor, ein Feuer bricht aus oder Rauch dringt ein. In dem engen Schacht dürfte sich das schnell verteilen. Die ersten fangen an zu schreien, anderen versuchen durch Laufen schneller voranzukommen und dann verliert jemand den Halt und stürzt hin. Bin ich zu pessimistisch? Ich habe mal ein Feuer in einem Treppenhaus erlebt, eigentlich war es nur Qualm, aber das reichte, um jeden in helle Panik zu versetzen.

 

Die Rolltreppe wird von Neoröhren beleuchtet. Ohne Abdeckung sind sie seitlich an der Wand montiert. Das hätte man eleganter gestalten können, muß aber nicht. Warum es als architektonisches Wunderwerk gespriesen wurde, hat sich mir noch nicht erschlossen.

 

Oben angekommen, stehe ich auf einem weiten, leeren Platz, das ist dann wohl das Herz der Plaza. Von hier aus führen große geschwungene (Master-Thema) Treppenläufe in die Konzertsäle oder in das hauseigene Hotel. Der Boden ist mit Klinkersteinen ausgelegt. Klar, da hatten die Architekten die norddeutsche Backsteingotik im Sinn und vielleicht auch den Kollegen Fritz Schumacher. Passt gestalterisch und ist wohl auch ganz praktisch. Ich marschiere Richtung Ausgang, denn ich will natürlich ins Freie und den Blick auf die Stadt genießen. Deckenhohe Glasfronten lassen viel Licht in den Innenraum und zeigen dem Besucher, wo er den Weg zum Balkon finden kann. Hier dominiert dann wieder die Welle. Statt der geraden Linie wurde der längere Weg gesucht. Das sieht nett aus, ist aber manchmal unpraktisch. Jedenfalls bin ich nicht alleine auf der Suche nach der Tür, die sich dann innerhalb einer der wellenförmig gebogenen Glasscheiben finden lässt. 

 

 

Der Blick von dort oben ist fraglos ein Erlebnis. Man steht nicht so hoch, dass man kaum noch etwas sehen kann, sondern schwebt in angenehmer Höhe über dem Hafen. An der Seite stehen die meisten Besucher, aber die anderen Richtungen bieten auch viel. Blickt man nach Norden, also zur Stadt, erkennt man die Türme der Hauptkirchen, im Süden das eigentliche Hafengelände, wo Tag und Nacht Betrieb herrscht und im Osten wächst die HafenCity heran. Einige Quartiere sind längst bewohnt, andere noch Großbaustellen. Wenn dann später die Kreuzfahrer dort festmachen, dann werden sich wahrscheinlich die meisten Besucher auf dieser Seite einfinden.

 

Die Dämmerung setzt ein. Hamburg macht sich für die Nacht bereit. Ein Blick in Richtung Elbmündung, wo die Sonne gleich ins Meer plumpsen wird.

 

Die Elbphilharmonie ist ein tolles Haus, ein musikalisches Aushängeschild der Extraklasse. Das Hotel ist bestimmt ein 5-Sterne Erlebnis (ich war noch nicht dort) und die Fassade ein technisches Wunderwerk. Egal, wie oft man das Haus fotografiert, immer wieder sieht es anders aus, denn das Wetter und die Atmosphäre spiegeln sich unmittelbar in der Außenhaut. Die Wirkung kann sich alle paar Minuten ändern. Sehr spannend zu beobachten. Deshalb reihe ich mich gerne in die Menge der Bewunderer ein und applaudiere jedem, der an dem Projekt beteiligt war. Politiker mit Weitsicht, Mut und Fantasie haben hier genauso gewirkt wie die vielen Architekten, Designer, Ingenieure und Handwerker. Deshalb ist aber nicht alles perfekt, kann es auch gar nicht sein. Die bejubelte Rolltreppe gehört ganz gewiss nicht zu den Highlights des Hauses und das kann man ruhig mal erwähnen. Muss sie auch nicht, denn sie ist letztlich nur ein Zugang zum Inneren des Hauses. Solange sie die Menschen sicher und schnell dorthin führt und dann auch wieder hinaus, erfüllt sie ihren Zweck.