Eine Königin mit Überraschungen

Wenn der Besucher spannende Geschichten und gute Laune mitbringt, darf er gerne wiederkommen. Mir wird er stets willkommen sein. Das gilt natürlich auch für Damen, ganz besonders für eine Königin, wie Queen Mary 2. Sie kam mal wieder für einen Tagesbesuch in den Hamburger Hafen, wird übrigens nächste Woche noch einmal vorbeischauen, und ich packte meine Kamera ein und fuhr ihr entgegen. Das Flaggschiff der Cunard Line ist einfach grandios. Sie ist größer als ihre königlichen Schwestern und kann mehr Passagiere aufnehmen. Obwohl sie die älteste ist (Bj. 2003), was langsam sichtbar wird, beeindruckt ihr Anblick noch immer. Vielleicht steht demnächst eine Renovierung an, hoffentlich im Trockendock bei Blohm & Voss in Hamburg. 

Die Queen Mary 2 hat eine Reihe von Besonderheiten, die sie einzigartig macht. Das erste Merkmal wird vermutlich überraschen: Sie ist nämlich KEIN Kreuzfahrtschiff! Sie wurde als Transatlantik-Liner geplant und gebaut und wird von Cunard noch heute genauso angepriesen. Auf der Webseite der Reederei unterscheidet man zwischen Kreuzfahrten (Queen Anne, Queen Elizabeth und Queen Victoria) und Atlantik-Passagen (Queen Mary 2). Ein Schiff, das den Atlantik wetterunabhängig queren kann, muss in der Motorleistung, der Stärke der Konstruktion und Reichweite des Schiffes robuster ausgelegt sein, als ein Kreuzfahrer. All das hat man bei der Queen Mary 2 berücksichtigt und das ist erkennbar, wenn man darauf achtet.

 

 

Manchmal entwickelt sich ein Sturmtief aus dem Nichts. Dann bringen sich die Kreuzfahrer so schnell wie möglich aus der Gefahrenzone und ändern ggf. auch die geplante Reiseroute. Darauf wird jeder Passagier vor Buchung hingewiesen. Bei der Queen Mary 2 läuft das anders. Sie setzt ihren Weg unbeirrt fort und das mit hoher Geschwindigkeit. Und dabei hilft ihr der Antrieb, der ebenfalls ganz außergewöhnlich ist. Statt einer Schiffsschraube wählte man vier riesige Gondeln, die jeweils einen Elektromotor enthalten, der den Propeller aus Edelstahl antreibt. Eine einzige Gondel wiegt 320 Tonnen. Zwei von ihnen sind fest am vorderen Schiff montiert und dienen dem Vorwärts- bzw. Rückwärtsschub. Die beiden hinteren Pods sind steuerbar und können deshalb zusätzlich das Schiff manövrieren. Ein Ruder ist deshalb nicht erforderlich! Wer hätte das geahnt?

 

 

Eine weitere Überraschung bietet der Entstehungsort der Queen Mary 2. Die Frage wird gerne beim Kneipen-Quiz im Londoner Pub gestellt. Welche Werft hat das Schiff gebaut? Natürlich eine englische oder vielleicht Harland & Wolff in Belfast, Nordirland. Das wäre eine denkbare Option. In Wahrheit aber bekam eine französische Werft den Auftrag und deshalb wurde die Queen Mary 2 in St. Nazaires, in Frankreich, auf Kiel gelegt. Knapp 2 Jahre dauerte es von der ersten geschnittenen Stahlplatte bis zur erfolgreichen Seeerprobung. Dann konnte das Schiff am 22. Dezember 2003 dem Kunden geliefert werden. Die Taufe erfolgte am 8. Januar 2004, natürlich in Anwesenheit der englischen Königin. Vier Tage später wurde das Schiff offiziell in Dienst gestellt. Es war das größte Passagierschiff, das die Welt je gesehen hat.

Man müsste die Elbphilharmonie schon dreimal aufeinander türmen, und zwar an der hohen Westseite, um die Länge des Schiffes zu demonstrieren. Und noch etwas ist ganz einmalig bei der Queen Mary 2, nämlich ihre ‚Stimme‘. Zwei ihrer vier Schiffshörner sieht man seitlich am oberen Schornstein. Die Hörner sind 2 Meter lang und wurden auf einen unverwechselbaren Ton gestimmt. Menschen mit dem perfekten Gehör werden ihn als A1 erkennen. Das ist auf jeden Fall ein satter, tiefer Basston.  Mit 30 bar Druckluft hört man ihn noch in einer Entfernung von 10 Meilen (ca. 16 km). Täglich mittags um 12 Uhr wird das Horn getestet und selbst bei einem Werftaufenthalt wird darauf nicht verzichtet. Als das Schiff im Juni 2016 im Trockendock ELBE 17 lag, konnten die Hamburger danach die Uhr stellen. Im gesamten Stadtgebiet war das tiefe Tuten zu hören. Kam der Wind aus der richtigen Richtung, war selbst in Rahlstedt noch ein leiser Nachhall vernehmbar. 

Eine alte Lady mit viel moderner Technik und zeitlos schönen Design. So lässt es sich vielleicht in einem Satz zusammenfassen. Mich freut ihr Besuch jedes Mal aufs Neue und wer es im August versäumt, kann die Königin noch einmal im Oktober willkommen heißen.

 

 

Falls Sie sich jemals zu einer Reise mit der Queen Mary 2 entschließen werden, dann sollten Sie unbedingt den Hund mitnehmen. Er ist an Bord ausdrücklich erlaubt, bekommt einen ‚bespoken service‘ und darf als Einziger am Captains Diner ganz zwanglos teilnehmen. Die ‚black-tie‘ Vorschrift gilt für ihn nicht. An Bord werden Sie eine weitere Überraschung finden, die es weltweit nur auf diesem Schiff gibt: Ein voll funktionsfähiges Planetarium mit Teleskopen zwecks Himmelsbeobachtung. Eine geniale Idee, denn wo ist es nachts dunkler als auf hoher See. Wie man den Wellengang ausgleicht, weiß ich leider nicht, aber die findigen Ingenieure haben sicherlich auch das Problem meisterlich gelöst. Und nie vergessen: Sie haben keine Kreuzfahrt gebucht, sondern eine Transatlantik-Passage. Good luck.

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