Die Hamburger Neustadt war schon öfter mein Thema, aber bisher ging es immer um das historische Areal und das ist nicht mit dem gleichnamigen Stadtteil identisch. Der liegt mitten in Hamburg und trotzdem sind mir die Straßen fremd. Sie haben vielversprechende Namen, wie ‚Bäckerbreitergang‘, ‚Kohlhöfen‘ oder ‚Rademachergang‘. Die Bezeichnung ‚Gang‘ weist auf eine enge Straße hin, eher eine schmale Gasse und wurde für ganze Bebauungen genutzt, die als ‚Gängeviertel‘ bekannt sind. Heute bin ich endlich einmal durch die Neustadt spaziert, wenn auch nur durch einen kleinen Teil davon. Der Stadtteil reicht von der Übersee- bis zur Kennedybrücke und von den Wallanlagen bis zum Alsterfleet. Mein Ziel war die Musikhalle und die liegt fast auf der nordwestlichen Grenze. Gestartet bin ich an den Landungsbrücken, dann am Michel vorbei und damit an der Hamburger Hauptkirche, die mitten in der Neustadt steht. Wenig später stand ich am Großen Neumarkt, wo noch heute ein sehr beliebter Wochenmarkt stattfindet. Der Platz liegt so ziemlich in der Mitte des Stadtteils. Und von dort gehen viele kleine Straßen ab, an denen wenige, aber besonders schöne und alte Häuser erhalten geblieben sind.
Die Gegend ist nett, sie gefällt mir sehr. Es gibt viele kleine Geschäfte, die neugierig machen. Die Schaufenster sind auffallend liebevoll und kreativ gestaltet. Man bietet hübsche Dinge an, ausgesucht schöne Ware. Dazwischen haben Architekten, Musiker und Fotografen ihre Büros und Studios. Und es gibt sehr viele Restaurants, aber auch nette kleine Kaffeehäuser, wo ich gerne mal frühstücken würde. Es gibt sehr viel zu sehen und ein Spaziergang durch dieses Viertel ist lohnenswert. Ich lerne mal wieder eine neue Seite von Hamburg kennen, und zwar eine besonders spannende.
Mein Spaziergang hatte einen ganz praktischen Zweck. Ich wollte ausprobieren, ob ich zu Fuß zur Musikhalle gehen kann. Ich kann, keine Frage, aber weil ich alle paar Meter ein Haus entdeckt habe, das ich fotografieren wollte, habe ich keine Ahnung, wie lange ich bis zum Konzerthaus benötige. Vermutlich 30 Minuten, was mir nach einem musikalischen Abend gut gefallen würde. Bei Regen kann man die Taxe nehmen, das ist immer eine bezahlbare Alternative, wenn man in der Stadt wohnt. Als ich noch in Volksdorf wohnte, habe ich es mir zweimal überlegt, denn die Fahrt wird wohl 50-60 Euro kosten. Dann taucht das kleine Haus auch schon auf, die Laeiszhalle, die nach dem Hamburger Reeder Carl Laeisz benannt wurde. Er vermachte der Stadt testamentarisch eine hohe Summe, um damit eine Spielstätte zu errichten. Heute wird das Haus von der Intendanz der Elbphilharmonie betrieben. Im großen Haus die Klassiker und in der kleinen Halle darf auch mal Rock ’n’ Roll gespielt werden. Kein Witz, demnächst kommt Peter Kraus, inzwischen 85 Jahre alt, und wird seine Hits singen. Ich habe ihn und die Show vor zwanzig Jahren in der Laeiszhalle erlebt und war platt. Der Mann sah aus wie mitte Vierzig und sang und tanzte wie ein junger Gott. Kein Gramm zugelegt, beweglich und ohne Allüren. Ich bin sicher, dass er es noch immer kann. Leider hat es sich herumgesprochen, denn das Konzert ist restlos ausverkauft.
Vis-à-vis steht ein Kontorhaus. Ein gewaltiger Klotz, der nahtlos in das Kontorviertel, neben das Chilehaus passen würde. Ich muss gestehen, dass ich das Gebäude noch nie bewusst wahrgenommen habe. Ich war nicht oft in der Musikhalle und vielleicht war es immer im Winter und entsprechend früh dunkel? Als Erstes fällt mir der Elefant ins Auge, der an der Seitenfassade einsam in luftiger Höhe steht. Dann finde ich die Männergestalt, nackt an der Ecke, ganz alleine stehend. Der Name des Hauses ist an der Vorderfront zu lesen: Brahmskontor. Das löst ein Klingeln bei mir aus, denn ich hatte vor ein paar Wochen ein Buch über die Sturmflut 1962 gelesen. Damals war Helmut Schmidt Innensenator der Hansestadt und Retter in der Not. Er organisierte die Rettungsmaßnahmen und machte das von diesem Gebäude aus. Hier war das Polizeipräsidium untergebracht und das diente als Einsatzzentrale. Übrigens war das Gebäude nach Fertigstellung (um 1930) der höchste Profanbau in Hamburg.