Rückwärts Einparken ist nicht jedermanns Sache. Ich vermied es, wann immer es ging. Daran ändert sich auch nichts mehr, nachdem die Hersteller hilfreiche Assistenten in ihre Autos eingebaut hatten. Ich blieb skeptisch, stieg auf den praktischen Smart um, der notfalls auch senkrecht am Baum abgestellt werden kann. Das aber nur so nebenbei bzw. vorneweg. Der Kandidat, den ich vor einigen Tagen beim Einparken beobachtet hatte, und wovon ich erzählen will, gehört einer gänzlich anderen Klasse an. Es handelte sich um ein Containerschiff der Hapag-Lloyd Reederei, aus der Bauklasse XXL. Es war die Hanoi Express, die ihren Heimathafen Hamburg anlief. Sie und ihre fünf Schwesterschiffe, alle baugleich, pendeln zwischen Hamburg und China/Korea. Sie sind 400 Meter lang, 61 Meter breit und können über 23.000 Container mitnehmen. Giganten, jedenfalls für den Hamburger Hafen. Sowohl ihre Länge als auch der Tiefgang (in HH ca. 12,5 m) sind nur bedingt mit der Elbe kompatibel. Ein solches Schiff wird deshalb niemals voll beladen den Fluss heraufstampfen. Macht aber nichts, denn bevor es auf die weite Reise nach Fernost geht, wird oftmals noch zugeladen, beispielsweise in Rotterdam.
Auf der Karte habe ich den Liegeplatz markiert. Dort soll die ‚Hanoi Express‘ anlegen und das bitte schön rückwärts. Eine strikte Vorschrift im Hamburger Hafen lautet, dass alle Schiffe mit dem Bug in Richtung Elbe liegen müssen. Im Notfall, z.B. bei Brand, können sie dann eigenständig den Hafen verlassen. So weit die Theorien, denn praktisch kann ich mir nicht vorstellen, wie eines der Express-Klasse-Schiffe die Kurve in den Elbstrom ohne Schlepperhilfe nehmen soll. Aber egal, hier geht es um das Einparken. Ich habe es zufällig beobachtet, als ich auf den Landungsbrücken stand. Die sind rund 4,5 km vom Containerhafen entfernt, aber näher kommt man leider nicht heran. Es sein denn man macht eine Hafenrundfahrt oder einen Landausflug ans Nordufer bei Altona.
Im Morgendunst konnte ich das Schiff in der Ferne ausmachen. Zunächst dachte ich, es wäre ein Kreuzfahrer, der am Altonaer Cruise Terminal festgemacht hätte. Lediglich die Farbe kam mir unüblich vor, denn die schicken Passagierdampfer sind meistens im strahlenden weiß angestrichen (Ausnahmen: ‚Mein Schiff‘ Flotte und die Cunard Line). Einige Minuten später hatte sich das Bild leicht verändert. Das Schiff wurde größer. Und dann fiel bei mir der Groschen und ich ahnte, was dort draußen gerade passierte.
Schade, dass man nicht näher herankommt, aber wahrscheinlich wäre das Schauspiel vor den beliebten Landungsbrücken viel zu gefährlich. Immerhin muss sich das Schiff quer in den Strom legen und der ist an dieser Stelle 533,29 Meter breit (bei Google nachgemessen). Wohlgemerkt von Ufer zu Ufer, die ausgebaggerte Fahrrinne ist nicht ganz so breit, fällt aber schon bald senkrecht in die Tiefe. Deshalb ist das Baden am Elbstrand höchst gefährlich. Viele glauben, der Strand würde sanft abfallen und ahnen nicht, dass sie auf einmal 15 Meter Tiefe unter sich haben. Dazu kommt die enorme Strömung, die durch Ebbe und Flut verursacht wird. Lieber auf die Abkühlung verzichten, es ist wirklich lebensgefährlich.
Die ‚Manila Express‘ wird zentimeterweise ins Hafenbecken gezogen. Die Schlepper-Kapitäne leisten Präzisionsarbeit. Wenn das Schiff aus dem Ruder laufen sollte, dann hilft nur noch beten. Eine Bremse gibt es nun mal nicht. Aber Schiffe können eigenständig rückwärtsfahren, was mich überrascht hatte, als ich es erstmals sah. Es gibt einen Moment bei diesem Parkmanöver, wo das Schiff in voller Länge quer zur Elbe liegt. Da sind dann vorn und hinten bestenfalls 65 Meter Platz. Zuwenig für jeden Schiffsverkehr und deshalb müssen alle anderen warten. So langsam füllt sich die Elbe mit Fähren und Ausflugsbooten und die Wasserschutzpolizei ist auch anwesend, aber wahrscheinlich nur zufällig. Nach langen, bangen Minuten stimmt endlich die Lage. Das Schiff hat sich weit genug gedreht und kann jetzt rückwärts ins Hafenbecken gezogen werden. Die Stahlwand verschwindet dann relativ schnell und die Elbe ist wieder freigegeben. Das Schauspiel wird täglich gezeigt, die genauen Ankunftszeiten der Containerschiffe kann man auf der Webseite der ‚Port Authority‘ erfahren. Ich glaube, ich werde es mir noch einmal ansehen, dann aber von hoch oben. Der ‚Altonaer Balkon‘ sollte das ermöglichen, er liegt gegenüber auf dem ziemlich steilen Höhenrücken (die Eiszeit hat es modelliert) des nördlichen Elbufers.