Weihnachten stellt die Liebe und das Licht in den Mittelpunkt. Wir feiern das göttliche Geschenk, das Jesus uns brachte, und wenn Sie mich fragen, wird es höchste Zeit, es auszupacken. An Liebe mangelt es mir nicht, aber das tägliche Grau geht mir ans Gemüt. Wann lösen sich die Wolken endlich auf? Wann scheint die Wintersonne, gerne auch auf eine verschneite Stadt? Ein Blick auf die Wettervorhersage mahnte mich heute Morgen zur Eile. Regen wurde angekündigt. Mir blieben noch knapp neunzig Minuten, bis es feucht werden würde und dann konsequent bis abends nass bleiben soll. Also machte ich eine Minirunde am Binnenhafen entlang und hatte wider Erwarten mehr Freude als erwartet. Ich nahm mir nämlich die Zeit, auch einmal stehenzubleiben und schaute mir über den Zollkanal blickend das Stadtpanorama an. Links der Michel, vor mir St. Katharinen, dahinter der Kirchturm von St. Petri und gleich daneben St. Jakobi. Nicht zu vergessen, der höchste von allen, der Turm von St. Nikolai, der in der Mitte meines Blickfeldes lag. Zwischen Nikolai und Katharinen mogelt sich eine besonders hübsch aussehende Turmspitze, die aber gar nicht zur Gruppe der ‚Großen Fünf‘ gehört. Es ist das Rathaus, das sich ganz ungeniert in deren Mitte präsentiert.
Beim Anblick der Türme wunderte ich mich mal wieder über die räumliche Nähe der Bauwerke. Die gedankliche Brücke zur Zeit unserer Vorfahren lenkte meine Aufmerksamkeit schnell in die Vergangenheit. Ich versuche mir dann vorzustellen, wie es damals war. Wie viele Menschen hier lebten, wie dicht gedrängt die Schiffe im kleinen Hafenbecken eng aneinander lagen und wie gewaltig die hohen Türme auf die Bürger wirkten. Jeder, der innerhalb der Stadtmauer lebte, gehörte zu einer der Gemeinden und identifizierte sich mit seinem Kirchspiel, wie wir es heute mit unserem Stadtteil machen, in dem wir Zuhause sind. Man bekommt ein sehr anschauliches Bild von der Größe der damaligen Stadt. Wie überschaubar alles gewesen sein muss und wie überfüllt.
Die Kirchen sind die ältesten Gebäude, die heute noch stehen. Keine davon im ursprünglichen Zustand. Alle brannten ab, viele wurden im Krieg zerstört, doch stets wieder aufgebaut. Bis auf St. Nikolai, dessen Ruine als eindrucksvolles Mahnmal stehen blieb. Gottesdienst wird dort nicht mehr zelebriert, aber sie ist noch immer gut besucht. Hamburger können einen Eindruck bekommen, wie furchtbar die Angriffe während des Krieges waren und Touristen nutzen die Gelegenheit, mit dem Fahrstuhl auf den noch heute beachtlich hohen Turm zu fahren und dann einen weiten Rundumblick über die Stadt zu werfen.
St. Petri an der Mönckebergstraße ist die älteste unter den Hamburger Hauptkirchen. Schon Anfang des 11. Jahrhunderts stand hier eine Holzkapelle. Der ‚Große Brand‘ im Mai 1842 hat St. Petri, inzwischen längst ein massiver Steinbau, fast vollständig zerstört.
St. Jakobi an der Steinstraße wurde 1255 erstmals erwähnt, etwas zur selben Zeit wie St. Katharinen. St. Nikolai wurde Ende des 12. Jahrhunderts begründet und durch die sechsspurige Willy-Brandt-Straße brutal vom südlichen Quartier ‚Cremon‘ abgeschnitten. Die mit Abstand jüngste Kirche ist der Michel. Vermutlich eine Überraschung, denn heute ist er bekannter als seine Brüder und Schwester. Angefangen hatte es um 1600 mit dem ‚Kleinen Michel‘, der noch heute steht und eine aktive Gemeinde hat. Die große St. Michaeliskirche entstand um 1650 und wurde einhundert Jahre später prompt vom Blitz getroffen. Er brannte bis auf die Grundmauern ab und das sollte sich in späteren Jahrhunderten wiederholen. Aber man gab nicht auf und baute ihn stets an selber Stelle wieder auf. Übrigens liegen die Kirchen alle auf natürlichen Anhöhen. Beim Michel merkt man es deutlich, wenn man ihn zu Fuß aufsucht.
Weihnachtszeit ist Hochsaison, in den Shops und in den Kirchen. Das ganze Jahr bleibt man dem Gottesdienst fern, aber am Heiligen Abend gehört der Besuch zum festen Programm. Ich bin da keine Ausnahme, werde aber nicht der Weihnachtsgeschichte lauschen, sondern einem hoffentlich netten Konzert. Man verspricht, dass alle mitsingen können. Ich lass’ mich überraschen.