Noch im Bett liegend, war mir klar, was ich heute machen wollte. Durch den schmalen Spalt der Jalousie sah ich den strahlend blauen Himmel und entschied mich sofort zu einer Hafenrundfahrt. Am besten gleich morgens, dann sind noch nicht so viele Leute unterwegs und man findet reichlich Platz auf den Schiffen. Kurz nach zehn tuckerten wir los, eine Stunde Rundfahrt, mit dem Highlight, der Queen Mary 2, am Terminal Steinwerder. Obwohl ich regelmäßig mitfahre und die Route stets dieselbe ist, gibt es doch jedes Mal Neues zu entdecken. Täglich liegen andere Schiffe an den Kaianlagen und immer wieder finde ich einen neuen Blickwinkel auf die eine oder andere Ecke im Hafen, den ich bisher übersehen hatte. Heute freute ich mich auf den britischen Kreuzfahrer, den ich erst ein einziges Mal im Hafen gesehen hatte. Das war im Herbst, an einem trüben, regnerischen Tag und die Stimmung ist natürlich auf den Fotos erkennbar. Heute aber, bei strahlender Sonne, würden Wasser und Himmel ganz anders aussehen und das Schiff vermutlich glänzen. So war es dann auch, aber darüber will ich gar nicht berichten. Die Überraschung fand nämlich im benachbarten Hafenbecken zwischen den Container Terminals statt. Dort war heute ungewöhnliches Gedränge. Gleich vier XXL-Schiffe hatten gleichzeitig festgemacht. Die Vasco de Gama, die Gdansk, die Ever Golden und die Edith Maersk. Alle vierhundert Meter lang und knapp 60 Meter breit. Damit waren sie breiter, als unser Schiff lang war. Und ich hatte keine kleine Barkasse gewählt, sondern eines der komfortablen Ausflugsboote der Reederei Rainer Abicht. Für die mache ich hier gerne mal Reklame, denn bisher haben sie mich nie enttäuscht.
Wie üblich fuhren wir in den Hafen hinein, fast bis zum Beckenende, wo gewendet wurde und dann mit langsamer Fahrt zurück zum Hauptstrom der Elbe. Der Kapitän lässt sich Zeit, wählt die Geschwindigkeit ‚DEAD SLOW‘ und bietet seinen Fahrgästen damit die Gelegenheit ein paar hoffentlich gelungene Fotos zu machen. Sollten Sie übrigens an der ‚falschen‘ Seite sitzen, dann müssen Sie nicht über das Deck eilen. Konzentrieren Sie sich lieber auf das, was an Ihrer Seite zu sehen ist. Sobald dann das Schiff wendet, sitzen Sie in der ersten Reihe und können ungehindert fotografieren. Der Kapitän kennt die Wünsche seiner Gäste, er wird Ihnen auch auf der Rückfahrt genug Zeit geben.
Ich hatte meine Kamera noch gar nicht ausgepackt, denn ich wusste, dass die Queen Mary 2 erst am Ende der Rundfahrt in Sicht kommen würde. Als ich aber die vielen Container-Riesen, dicht hintereinanderliegend sah, bekam ich doch Lust einige Aufnahmen zu machen. Erst den Bug fixieren, dann möglichst schräg von vorn die ganze Schiffslänge erfassen und dann vielleicht noch ein Bild von den Containerbrücken, die die schweren Boxen scheinbar mühelos, wie kleine Legosteine, aufeinanderstapeln. Der Schiffsführer hatte bereits gewendet und brachte das Boot an der Ever Golden entlang, wobei er so nah wie möglich an der hoch aufragenden Schiffswand entlang fuhr. Als wir auf gleicher Höhe mit dem Bug waren, stoppte er die Vorwärtsfahrt und startete nun das Seitenruder. Wie von Geisterhand geführt, schob sich unser Schiff seitlich in die Lücke zwischen den beiden Giganten. Das war wirklich eine Meisterleistung und ermöglichte uns Fotos zu machen, die man normalerweise nicht bekommt. Der Eindruck war überwältigend. Vor mir das extrem breite Heck der Gdansk und hinter mir der Bug der Ever Golden. Für eine kurze Zeit verweilten wir an dieser Position. An Bord war auf einmal Totenstille, alle mussten den Anblick erst einmal verarbeiten. Danach größte Freude bei allen und von mir ein großes Dankeschön an den Captain.
Ein Detail fasziniert mich immer wieder. Gerade bei diesen immens großen Schiffen fällt der Raum für die Mannschaft fast schon winzig aus. Auf dem letzten Foto kann man den Brückenturm der Vasco de Gama sehen. Die Brückennock, also die seitlichen Teile, ragen weit über den Unterbau hinaus. So kann der Kapitän einen Blick nach vorn erhaschen, seitlich an den Containern vorbei. In den Stockwerken darunter sind die Kabinen der Mannschaft untergebracht. Und an der Außenseite sieht man leuchtend rotes Boot, das im Notfall als Rettungsboot dient. Und wo sind die anderen? Es gibt keine, denn man braucht tatsächlich nur dieses eine, kleine Boot. An Bord werden sich 20-23 Männer befinden. Das ist die komplette Besatzung, inklusive Kapitän.