Ich bin immer wieder überrascht, über die vielen, engen Freundschaften und Freundeskreise, die unsere Vorfahren intensiv pflegten. Sie hatten kein Auto, keine Eisenbahn und kein Telefon. Man musste schon zur Feder greifen und einen Brief schreiben und dann Geduld haben, bis die Antwort eintraf. Andererseits waren die Menschen überraschend mobil. Ein Kaufmann musste seine Kontakte pflegen und das möglichst durch persönlichen Besuch. Man war also viel unterwegs, zu Pferd oder mit der Kutsche und wenn man am Ziel angekommen war, machte man diverse Besuche. Nicht nur bei den eigenen Freunden, sondern auch bei Nachmittags- und Abendgesellschaften, die sehnlichst darauf warteten, dass endlich wieder ein Reisender mit Neuigkeiten vorbeikommt.
Edward Solly und seine Ehefrau hatten viele Freunde. Es ist überliefert, dass sie besonders in London fast täglich Besuch empfingen. Sowohl alte als auch neue Bekannte, die aus Deutschland oder Pommern stammten und Nachricht von dort mitbrachten, klopften fast täglich an.
Manchmal schrieben die Gäste abends einen Eintrag in ihr Tagebuch und weil es all die Jahre aufbewahrt wurde, erfahren wir aus erster Hand von „der Schönheit und Gastfreundlichkeit der Auguste Solly“, so jedenfalls schwärmte Schinkel nach seinem Besuch in Mayfair.
In der Bildergalerie habe ich nur eine kleine Auswahl vorgestellt. Edward war ein interessanter Mann und wer ihn nicht persönlich begegnet war, hatte vermutlich doch von seiner bemerkenswerten Gemäldesammlung gehört. Die hatte er sowohl in Berlin als auch in London in seinem Haus untergebracht. Oder besser gesagt in seinem Stadt-Palais, wo die oberen Geschosse ausschließlich den Bildern reserviert waren. Diese Sammlung lockte viele Besucher an. Öffentliche Galerien standen noch nicht zur Verfügung. Solly’s Bilder werden eines Tages zum Grundstock einer der allerersten Kunstausstellungen.
Selbst Goethe hatte von den Gemälden gehört und war neugierig geworden. Wir wissen zwar, dass er ausgiebig Italien bereist hatte, aber andere Gegenden, wie Norddeutschland oder eine Insel wie England, lockten ihn wenig. Er liebte Komfort und bequemes Reisen. Eine Überfahrt im Schiff, womöglich bei starkem Wind, war nicht seine Sache. Also schickte er stellvertretend seinen Sohn August nach London. Der schaute sich Solly’s Sammlung genau an und berichtete dann dem Alten nach seiner Rückkehr. Er soll sehr beeindruckt gewesen sein. Aber bei August weiß man nie genau, woran man ist, er galt als ‚problematischer Charakter.‘
Ganz anders Wilhelm von Humboldt, Schopenhauer, Georg Heinrich Sieveking, Klopstock oder Domherr Lorenz Meyer aus Hamburg. Sie alle waren gute, enge Freunde und tauschten sich regelmäßig aus. Solly war also international vernetzt und damit das klappte, musste man sich untereinander verständigen können. Aber das war kein Problem, denn man lernte schon in der Schule Französisch oder Englisch. Edward wurde gleich nach der Schule nach Danzig geschickt und sprach fließend Deutsch. Wer die Universität besuchen sollte, hatte auch noch Latein gelernt, das war dort die Pflichtsprache. Sogar die einfachen Leute, die kleinen Bauern in Holstein waren erstaunlich sprachgewandt. Sie hatten nur wenige Jahre eine Schule besucht und konnten dennoch meistens mehrere Sprachen lesen und verstehen. Sie nutzen nämlich dänisch im Alltag, mussten aber alle amtlichen Papiere in deutscher Sprache vorlegen, das war die offizielle Amtssprache und auf dem Feld verständigten sie sich in der Plattdeutschen Sprache. Das ist beachtlich und hatte mich überrascht, als ich erstmals davon hörte. Aber jetzt habe ich genug erzählt, bleiben wir lieber bei Edward Solly und seinem Freundeskreis.