Als ich das erste Mal das Natural History Museum in London besuchte, blieb ich wie angewurzelt hinter der mächtigen Eingangstür stehen. Mit offenem Mund starrte ich in die große Halle. Was sich mir dort präsentierte, war mehr als ich erfassen konnte. Darauf war ich nicht vorbereitet.
Was für eine Architektur. Die Eingangshalle, die prächtige Treppe, das verglaste Dach und der lebensgroße Blauwal, gleich über mir, der scheinbar mühelos durch die Luft tauchte. Ich brauchte einige Minuten, um wieder zu Atem zu kommen. Ich war wirklich überwältigt und hatte von den Exponaten noch gar nichts gesehen. Dann ging ich fast schüchtern weiter, tiefer in den Raum hinein und stand schließlich vor der überlebensgroßen Marmorfigur, die erhöht, im Treppenaufgang, aufgestellt war. Ich ging die Stufen hinauf und stand dann direkt davor. Es war Charles Darwin, der hier sitzend alles überblickte. Jeder Besucher kam an ihm vorbei, ja es schien mir, als würde er jeden von uns persönlich begrüßen.
Bis ich endlich das obere Geschoss erreicht hatte, war bestimmt schon mehr als eine halbe Stunde vergangen. Nicht dass es so voll gewesen wäre, nein, Grund waren die unzähligen Details, die ich staunend registrierte. Da waren überall Fabelwesen in die Wände eingearbeitet worden und kleine lustige Tiere sprangen scheinbar durch das Treppenhaus. Es gab keinen Winkel, wo man sie nicht entdecken konnte. Ein optisches Paradies für jeden Fotografen, der etwas Besonderes sucht. Der Besuch in diesem Museum ist für mich inzwischen längst zu einem unverzichtbaren Pflichttermin geworden und war stets begeistert.
Was ich bisher aber nicht wusste, ist die Tatsache, dass es eine persönliche Beziehung zu dem Museum gab. Genauer gesagt zu einem der Direktoren, der das Haus ebenfalls sehr geliebt haben muss. Sein Name ist William Henry Flower. Er wurde 1831 in Stratford-upon-Avon geboren. Sein Vater hatte eine Brauerei gegründet, die sich prachtvoll entwickelt hatte. Auch die Vorfahren seiner Mutter kamen aus der Branche und waren entweder Groß-Kaufleute oder Banker oder gleich beides.
William schlug einen anderen Weg ein. Er studierte zunächst Medizin und ging dann als Militärarzt zur britischen Armee. Dort lernte er sein Handwerk auf die harte Tour, denn er war Assistenzchirurg im Feldlazarett während des Krimkrieges. Eine Arbeit, die einiges abverlangt, aber er traf seine Entscheidung freiwillig
Zurück in England heiratete er Georgiana Smyth, die Tochter eines bekannten Astronomen. Der das zwar nur als Hobby betrieb, aber mit beachtlichen Erfolgen. Hauptberuflich war der Schwiegervater bei der Royal Navy im Rang eines Admirals tätig. So vermute ich, dass auch er abenteuerliche Dinge erlebt hatte, allerdings auf hoher See.
William Flower hatte sich schon in seiner Studienzeit für die Zoologie interessiert. Er war Mitglied in vielen wissenschaftlichen Gesellschaften und wurde von der Zoologischen Gesellschaft in London zum Präsidenten gewählt. So kam es, dass man ihm die Leitung des Natural History Museum anbot und er blieb dem Haus bis zu seinem Tod treu. Eines seiner vielen Ideen, war der Erwerb einer Statur, die Charles Darwin zeigen sollte. Er veranlasste den Kauf und wählte den vielleicht prominentesten Platz zur Aufstellung aus. Dort sitzt der große Mann noch heute und begrüßt jeden Besucher, als wäre er der Gastgeber. So jedenfalls empfinde ich es, wann immer ich dort bin.
Nächstes Mal werde ich nicht nur Darwin ‚Guten Tag‘ sagen, sondern auch Sir William, der überraschenderweise ein Verwandter von Edward Solly ist und den ich gerne als Stellvertreter in London nutze. Das kürzt den Stammbaum ab, denn würde ich ihn stets bis zu meiner Geburt führen, müssten wir noch einige Generationen und Lebensorte zufügen, bis wir in Deutschland/Hamburg angekommen sind.
Edward Solly ist durch die Heirat seines Neffen James Hollis mit der Fordham Familie verbandelt, der auch William H. Flower zugeordnet werden kann.