Solly, Hollis (1777-1851)

 

Wir wissen vieles über Hollis Solly und seine Ehefrau Charlotte, weil ihr Sohn Nathaniel Neal derjenige war, der im April 1870 sich die Mühe machte, eine Familienbiografie zu schreiben. Diese Schrift hat die Zeit überdauert und ich darf sie zeigen. Sie ist am Ende dieser Seite eingefügt. Als Nathaniel sein Manuskript geschrieben hat, stand er kurz vor seinem 59. Geburtstag. Seine Eltern waren bereits verstorben. 

Hollis Solly kam als sechster Sohn seiner Eltern in der City of London zur Welt. Wie seine Geschwister wurde er in der Wohnung im Jefferys Square / St Mary Axe geboren. Diese kleine Nebenstraße, die sich in einen stattlichen Hof erweiterte (eben einen ‚Square‚), gibt es heute nicht mehr, denn genau dort steht der Büroturm der Swiss Re Versicherung. Gebaut 2003 vom Architekten Sir Norman Foster und im Volksmund als ‚The Gherkin‘ bekannt. Auf alten Karten ist die Adresse noch zu finden, ich habe einen Ausschnitt daraus neben einen modernen Straßenplan gelegt. Dann wird es deutlich.

 

 

Ich habe große Sympathie mit den Londonern, die ein städtebauliches Experiment gewagt haben, das vermutlich einmalig ist. Man hat die alten Kirchen stehen lassen und in nächster Nähe Bürotürme gestellt, die weit über 200 Meter in den Himmel ragen. Die alten Kirchtürme sind dagegen optisch winzig geworden und doch ist ihre Wirkung im Zusammenspiel faszinierend. Wären die baulichen Inseln aus der Zeit kurz nach dem Großen Brand (1666) nicht mehr vorhanden, dann wäre der Financial District eine architektonische Ödnis. So aber wartet auf Schritt und Tritt eine neue Überraschung auf den Besucher. Ich komme in diesen Straßen emotional immer auf meine Kosten. Und wenn man sich dann noch die Zeit nimmt und eines der alten Gotteshäuser besucht, deren Mitarbeiter mich immer herzlich begrüßt haben, dann wechselt man nahtlos von 21. ins 17. Jahrhundert. Würde sich dann eine der wunderschönen alten Türen öffnen und Isaac Solly käme mir in Begleitung seines Sohnes entgegen, wäre ich noch nicht einmal überrascht.

Bei meiner Arbeit mit Familien fiel mir auf, dass es in England häufiger vorkommt, den Söhnen den Geburtsnamen ihrer Mutter als zweiten Vornamen zu geben.  So ist auch Hollis zu seinem Namen gekommen, allerdings nicht als Mittelname, sondern als Rufname. Bei ihm geht es um die Großmutter, Anne Hollis. Ich vermute, man wollte damit auch an den Urgroßvater John Hollis erinnern, der in London ein ‚cutlery and hardware business‘ etabliert hatte. Schon sein Großvater war in der Branche tätig, allerdings noch in Sheffield. Das Unternehmen, ebenfalls in der City of London gelegen, war erfolgreich und die Familie lebte in guten, vielleicht sogar sehr guten finanziellen Verhältnissen. Die Übersicht zeigt die Vorfahren von Hollis Solly, dabei geht es hier um dessen Großmutter väterlicherseits, Anne Hollis.

 

Im ‚manuscript book‘ der Solly Familie habe ich gelesen, dass Hollis Solly nach Abschluss der Schule von seinem Vater Isaac nach Deutschland geschickt wurde. Das hatte man auch schon mit seinem Onkel Edward Solly gemacht und es hat sich wohl bewährt. Die Söhne sollten gründlich eine andere Sprache lernen und Freundschaften im Ausland knüpfen. Heute würde man von der Bildung eines sozialen Netzes sprechen, dass für einen international tätigen Kaufmann sicherlich die Grundlage für den Erfolg darstellt. So kam es, dass Hollis Solly vermutlich kurz vor 1800 nach Hamburg kam. Für mich eine wunderbare Überraschung, denn es ist meine Heimatstadt und die Chance, dass es eine Verbindung zwischen ihm oder seiner Familie und meinen hanseatischen Vorfahren gibt, hat sich deutlich erhöht. 

Hollis blieb einige Jahre in Hamburg, denn er sollte nicht nur die deutsche Sprache lernen, sondern auch den Beruf. Er wurde zu einem befreundeten Kaufmann geschickt, Mr Thornton, der selbst im Handelsgeschäft mit England tätig war. Es war nicht schwierig herauszufinden, um wen es sich handelte. Es kann nur Richard Thornton*) gewesen sein. Der war in Hamburg als ‚Dep. Gov. der Company of Merchant Adventures of England‘ tätig. Er war ein reicher Mann, der auf ungewöhnliche Weise zu seinem beachtlichen Vermögen gekommen war. Seine Cousine Jane Fenay war steinreich, aber kinderlos. Sie vererbte alles an ihrem Neffen, für den das wohl sehr überraschend kam. Thornton wurde dadurch auch Gutsbesitzer auf Tiresal in Yorkshire, England.

Vermutlich zwischen ca. 1795 und 1800 hielt sich Hollis in Hamburg auf. Danach reiste er durch Deutschland und andere europäische Länder. Die übliche Grand Tour der Söhne, deren Eltern es sich leisten konnten. Nicht selten waren sie mehrere Jahre unterwegs, um dann anschließend mit aller Kraft in das väterliche Geschäft einzusteigen. Dann rief die Pflicht, eine Heirat wurde erwartet, damit die nächste Generation gesichert wird und etliche ehrenamtliche Tätigkeiten füllten den langen Arbeitstag bis spät in den Abend aus. Über all das und viel mehr berichtete sein Sohn Nathaniel, der das viel besser konnte und dessen Bericht ich hier im vollen Wortlaut wiedergeben darf.

*) Nachtrag zu Richard Thornton: Die Welt ist klein. Wenn jemand aus einer Millionenstadt wie London kommt und sich in einer anderen Millionenstadt namens Hamburg zeitweilig niederlässt, dann könnte man annehmen, dass sich seine Spuren verwischen. Als ich von ‚Mr Thornton‘ im Text von Nathaniel Neal Solly las, fiel mir sofort meine Schule ein. Ich hatte in Hamburg das ‚Charlotte Paulsen Gymnasium‘ besucht, das noch heute existiert und längst für Kinder beiderlei Geschlechts geöffnet ist. Zu meiner Zeit waren wir nur Mädchen, was gar nicht schlecht war. Ich bin überzeugt, dass der Unterricht bei uns viel harmonischer verlief und wir uns ungestört aufs Lernen konzentrieren konnten. Aber das erwähne ich nur mal nebenbei. Die Pointe ist woanders zu finden, nämlich im Geburtsnamen von der Gründerin. Charlotte Paulsen war eine geborene Thornton, was ich zufällig (?) wußte. Ihre Eltern stammten aus London und waren erfolgreiche Kaufleute in Hamburg. Kaum hatte ich die vage Spur aufgenommen, erwies sich die Fährte als richtig. Solche ‚Zufälle‘ passieren mir immer wieder, wenn ich mich mit den Ahnen aus früherer Zeit beschäftige. Eines der Gründe, warum es mir so viel Freude macht.

 

 

 

Extracts from Nathaniel Neal Solly’s manuscript book – Solly Family

Inscribed: Nathaniel Neal Solly Moseley Hall Bushbury near Wolverhampton

April 7th 1870

Hollis Solly the father of Nathl. Neal Solly was the sixth son of Isaac Solly and Elizabeth née Neal, he was born at Jefferies Square St Mary Axe in the City of London on the 31st Octr. 1777 and baptized the 26th Novr. Following by the Revd Hugh Farmer. He received the family name of Hollis after his grandmother Anne Hollis daughter of John Hollis and Hannah Sampford, and great granddaughter of Thomas Hollis of Rotherham whose son Thomas was the founder of the Hollis Hospital at Sheffield in 1703. Hollis Solly’s father possessed a country house at Walthamstow in Essex and there he passed his early days; he was sent to a preparatory school when only about 5 years old and afterwards to a school kept by a Mr Green and lastly to one kept by the Revd Mr Cogan a Presbyterian minister.

The Sollys who are a Kentish family and who resided at Ash and Sandwich in Kent up to the latter part of the 17th century entered into commerce in the City of London as merchants and cutlers in consequence of the marriage of Richard Solly with Ann Hollis 1717. The place of business of Hollis and Solly was in the Minories and Richard Solly at that time lived in Haydon Yard or Square Minories, he also had the Country House at Walthamstow which he purchased. The Sollys continued their business as merchants after leaving the Minories at Jefferies Square at St Mary Axe where Mr I. Solly (father of Hollis Solly) and his sons carried on a very extensive trade as Baltic and timber merchants under the firm of Isaac Solly and Sons. He died 4th February 1802 in his 78th year. On leaving Mr Cogan’s school Hollis Solly was sent by his father to Hamburg to learn commerce in the office of a foreign merchant, Mr Thornton, where he remained some years. He afterwards travelled in Germany France and Spain, and Portugal in 1803. Whilst in Paris he visited the house of Mme Recamier where he saw many of the celebrated characters of the day amongst others the first consul Napoleon. Mr Littledale a brother of Judge Littledale was a travelling companion of Hollis Solly thro France as far as Marseille. Before he left England for Germany he set up in business as a merchant in Coleman Street London in partnership with his brother Samuel, the firm being Samuel and Hollis Solly and their transactions were very large during a considerable period of the French War with most parts of the continent of Europe as well as with the West Indies. After a few years Samuel Solly whose tastes were very scientific desired to retire from the business and it was then carried on in the sole name of Hollis Solly.

 

Seiten: 1 2