
Ein Name, der mich sofort an London denken lässt. Dort hatte die Hanse ein eigenes Stück Hafen (Steel Yard), mit Lager- und Kontorhäusern und mit eigenen Rechten. Nachdem die Niederlassung aufgegeben wurde, nutzte man das Grundstück an der Themse für den Neubau eines großen Bahnhofs: Cannon Street. Nur zwei unauffällige Relikte aus der Vergangenheit haben die Zeit überdauert. Zum einen sind es die beiden Türme, links und rechts an der Einfahrt zur Bahnhofshalle und zum anderen ist es ein wenig bekannter Weg unmittelbar am Themse Ufer, mit dem Namen ‚Hanseatic Walk‘. Das Londoner Handelszentrum ist Geschichte, aber in Hamburg hat sich ein neues ‚Hanseatic Trade Center‘ niedergelassen. Natürlich hat man den klangvollen Namen nur ausgeliehen, denn in den Bürohäusern haben sich Mieter aus ganz unterschiedlichen Geschäftsbereichen eingefunden. Darunter ein Werbeanbieter, eine Reederei und eine international tätige Wirtschaftskanzlei. Auch die bekannte Körber-Stiftung hat hier ihren Hauptsitz und gleich nebenan zog das amerikanische Generalkonsulat ein. Wobei mir eine weitere Parallele zu London einfällt, denn auch dort zogen die amerikanischen Diplomaten vor einigen Jahren um. Zunächst wollten sie ihre schöne Botschaft kaufen, aber nachdem ihr Vermieter für kein Geld auf der Welt bereit war, ihnen die herrschaftlichen Räumlichkeiten am Grosvenor Square zu verkaufen, packte sie die Umzugskisten. Das neue Quartier fand man in einem jüngst errichteten Stadtteil, unmittelbar südlich der Themse. Von der repräsentativen Stadtvilla wechselte man in den modernen Zweckbau. Das muss man erst einmal verdauen. Die Vertreter in Hamburg haben Ähnliches erlebt.
Das Hanseatic Trade Center (HTC) wurde zwischen 1990 und 2002 errichtet. Damals gab es die HafenCity noch gar nicht, vermutlich nicht einmal als Plan in einer verschlossenen Schublade. Die Bürohäuser waren die ersten Neubauten auf dem Gebiet der alten Speicherstadt. Der Freihafenstatus war überflüssig geworden und man hatte angefangen, die Zollgrenze zu verlegen und schließlich ganz aufzuheben. Dadurch hatte man auf einmal sehr zentral gelegenes Bauland und ergriff die Chance mit beiden Händen. Ein neuer Stadtteil entstand in wenigen Jahren. Das aber passierte erst, nachdem das Hanseatic Trade Center bezogen war. Es bestand aus fünf großen Gebäuden, die nach Männern benannt wurden, die als Entdecker und Forscher bekannt wurden.

Architektonisch ist das HTC kein Hingucker. Es passt sich den alten Gebäuden in der Speicherstadt an, die aber oftmals viel aufwendigere Fassadendetails zeigen. Vielleicht ist es innen aufregender gestaltet und möglicherweise gibt es Innenhöfe, die das Ganze etwas auflockern. Andererseits werden die Häuser ausschließlich für Büros genutzt und müssen zweckmäßig sein. Auf jeden Fall liegen sie zentral, denn der U-Bahnhof Baumwall ist nur wenige Schritte entfernt. Und die Aussicht auf die Elbe ist mit Sicherheit gigantisch, wenn man das Glück hat an der richtigen Seite zu sitzen. Übrigens gibt es auch einige, wenige Restaurants im Erd- bzw. 1. Obergeschoss, aber keine Wohnungen. Nach Fertigstellung merkte man, dass sich ein grundsätzlicher Planungsfehler eingeschlichen hatte und glücklicherweise wurde es rechtzeitig erkannt. Jedenfalls früh genug, um ihn in der HafenCity nicht zu wiederholen. Man hatte nämlich die Grundstücke/Häuser des HTC unmittelbar am Kanalufer enden lassen. Es gibt dort also keinen öffentlichen Weg, sondern nur Schilder mit dem Hinweis: Privatweg, Zugang verboten. Unvorstellbar, wenn es in der HafenCity genauso gekommen wäre. Die kilometerweiten Wege, unmittelbar am Wasser, sind doch eines der Gründe, warum so viele Besucher ihre Freizeit hier verbringen wollen. Es macht einfach Freude dort entlangzulaufen, in der Sonne zu sitzen, große und kleine Schiffe sowie gut gelaunte Möwen zu beobachten.
Die vierspurige Straße ‚Am Sandtorkai‘, die das HTC an seiner Nordseite begrenzt, liegt so tief, dass sie bei Hochwasser regelmäßig unter Wasser steht. Die alten Speichergebäude trifft dasselbe Schicksal, aber man kann damit umgehen. Sobald das Wasser steigt, öffnet man die Türen und lässt die Elbe einfach durch das Gebäude schwappen. Das kennt man seit dem Bau der Speicherstadt (ca. 1880). Den Mietern des HTC wollte man das nicht zumuten und brauchte deshalb eine trickreiche Lösung. Die Straße höher zu legen, war keine Option, weil dann die alte Bebauung auch angehoben werden müsste. Das war nicht möglich. Also stellte man das HTC auf einen Sockel, der einer Flut von 8,5 m über NN trotzen kann. Da aber immer schneller, immer höhere Wasserstände erreicht werden, wurde ein Notfallsystem eingebaut, das langfristig Sicherheit verspricht. Ein Brückensystem wurde durchgängig montiert. Es liegt auf einer Höhe von ca. 9,75 m über NN und verbindet die einzelnen Häuser mit dem Baumwall und der Deichstraße. Die Sockelbereiche der Häuser sind aus wasserfestem Beton gebaut und Garagentore, Eingangstüren und Fenster können hermetisch dicht abgeriegelt werden.
Wenn Sie das nächste Mal die alten Segelschiffe im Sandtorhafen besuchen wollen, sollten Sie die Fußgängerwege in luftiger Höhe nutzen. Sie beginnen gleich hinter dem HTC, neben dem Vespucci Haus und sind auch auf der Karte gut zu sehen (graue, gestrichelte Linien). Die meisten Besucher laufen direkt am Wasser entlang oder gehen gleich auf die schwimmenden Pontons, aber dort oben findet man viele kleine windgeschützte Plätze, wo man den ganzen Tag in aller Ruhe verweilen kann. Leider fehlen bequeme Stühle, aber wer weiß, das kann ja noch kommen. Und ein Blick auf die Rückseite der Häuser, besonders bei den alten Speichern, ist ebenfalls sehr reizvoll. Dazu muss man eine Hafenrundfahrt buchen und darauf achten, dass die Tour durch die Speicherstadt führt. Wenn genug Wasser in den Fleeten ist, dann fahren die kleinen Boote durch den Binnenhafen und sogar durch das schmale Kehrwiederfleet. Das wurde übrigens erst spät gebaut, um wasserseitigen Zugang zu den Lagerhäusern zu bekommen. Ursprünglich war die Kehrwiederspitze breiter, aber genaugenommen waren die drei schmalen Land-Finger ursprünglich eine zusammenhängende Landmasse. Der Sandtorhafen ist zwar der älteste unter den vielen, aber eben auch ein künstlich erbauter. Wo heute die HafenCity pulsiert, weideten früher die Kühe. Der alte Grasbrook war ein beschaulicher Ort, hauptsächlich Weideland. Bei Hochwasser stand alles unter Wasser, aber bei ruhigem, sonnigem Wetter war es sicherlich ein wundervoller Platz zum Baden und Träumen. Gelegentlich kam es aber ganz anders. Dann pilgerten die Hamburger schon am frühen Morgen auf die Elbinsel, um sich die besten Plätze zu sichern. Das waren die Tage, an denen die Henker ihre Arbeit erledigten. Piraten, wie Klaus Störtebeker, wurden auf dem Grasbrook hingerichtet. Ihre abgeschlagenen Köpfe präsentierte man auf Lanzen, die man in den weichen Strand an der Elbe steckte. Sie sollten ankommende Schiffsbesatzungen warnen. Wer raubt und stiehlt, wird hart bestraft. – Wie hat man bloß die Möwen davon abgehalten, das zu tun, was ihr Instinkt ihnen zuflüstert?