Der Herbst bereitet die Natur auf die härteste Jahreszeit vor. Es dauert nicht mehr lange, bis die Sonne selbst mittags zu tief steht, um uns zu wärmen. Die Tiere fressen sich eine Speckschicht an (ich neige auch gerne in dieser Zeit dazu) und die Pflanzen machen sich winterfest. Sie stellen einfach die Wasserversorgung ein, was man bei großen Bäumen sogar nachprüfen kann. Legen Sie mal das Ohr an die Rinde einer großen Buche. Sie werden ein leises Rauschen hören, denn tief im Stamm pumpt der Baum konstant Wasser von seinen Wurzeln in die Baumspitze. Im Herbst hört er damit auf und die Blätter fangen an zu vertrocknen. Schließlich fallen sie ab. Das Rauschen verstummt hörbar. Nur so hat der Baum eine Chance, den Winter zu überstehen. Hätte er dann noch volles Blattwerk und saftige Zweige, dann würde der Frost das Wasser gefrieren lassen und den Baum dadurch zerstören. Und ohne Laub ist er auch gleich gegen die rauen Winterstürme gewappnet, die nun viel weniger Angriffsfläche haben. Ziemlich genial erdacht, wie alles in der Natur.
Einen anderen Nebeneffekt der herbstlichen Wandlung mögen wir ganz besonders gerne. Ich spreche natürlich von der Verfärbung des Laubes. Man muss Geduld haben, bis das farbenfrohe Spektakel stattfindet. Es geschieht erst Ende Oktober und kommt am besten an einem sonnigen Tag zur Geltung. Das versprach der heutige Sonntag wenigstens zeitweise, und deshalb habe ich mich auf den Weg gemacht. Mein Ziel war ‚Planten & Blomen‘, Hamburgs zentralster Park zwischen Dammtorbahnhof und Millerntor. In diesem Jahr wurde er auch noch zur schönsten Grünanlage Deutschlands gewählt. Damit hat er die Konkurrenz, immerhin 1.800 andere Parks, hinter sich gelassen. Ein schöner Erfolg und durchaus zurecht. ‚Planten un Blomen‘ ist weitläufig, abwechslungsreich, sehr gepflegt und wunderschön.
Mein Spaziergang begann am Dammtor und führte mich erst einmal in den ‚Alten Botanischen Garten‘. Dort sieht man die ‚Mittelmeerterrassen‘ am Ufer eines Sees, der wie ein Hufeisen geformt ist. Er ist ein letzter Rest der alten Hamburger Wallanlagen, die ringsherum einen tiefen Wassergraben hatten, der zusätzlichen Schutz gegen Angreifer bot. In diesem alten Teil findet man auch einen ‚Japanischen Landschaftsgarten‘. Man darf ihn nicht mit dem ‚Japanischen Garten‘ verwechseln, der ein Teehaus hat, in dem man gelegentlich eine Zeremonie erleben kann. Der ‚Japanische Garten‘, der gleich am Eingang Dammtor beginnt, führt auf kleinen verschlungenen Wegen durch eine zauberhafte Landschaft, geformt aus Wasser, Felsen und exotischen Pflanzen.
Im nahegelegenen Congress Centrum findet ein zweitägiges Treffen statt. Nuklear-Mediziner aus aller Welt haben sich in Hamburg verabredet, um ihre Erfahrungen in der Krebsforschung auszutauschen. Gerade als ich in die Marseiller Allee einbiege, kommen mir Hunderte von ihnen entgegen. Es sind Amerikaner, Asiaten, Afrikaner, Europäer, Chinesen und Japaner und bestimmt auch Männer und Frauen aus Down-Under. Mehr Völker-Vielfalt auf engsten Raum habe ich bislang nicht erlebt. Man spricht überwiegend Englisch, einige wohl auch Spanisch und Sprachen, die ich nicht zuordnen kann. Die bunt zusammengewürfelte akademische Gruppe passt gut zur ebenso bunten Herbstkulisse im Park.
Die Marseiller Alle trennt den ‚Alten Botanischen Garten‘ vom nördlichen Teil, der eigentlich den Namen ‚Planten un Blomen‘ trägt. Dort findet man einen großen Kinderspielplatz und den Parksee mit der Wasserlichtorgel. Ein musikalisches Ereignis in den Sommermonaten. Der Rosengarten hat seine Blütezeit bereits hinter sich, dort wird man die Pflanzen bald zurückschneiden und warm einpacken. Auch der Musikpavillon steht verwaist neben einem der großen Gartenrestaurants, die leider schon in der Winterpause sind. Ich will noch einen Abstecher zum Apothekergarten machen und zum Schluss die Landschaft mit den Wasserkaskaden besuchen. Dann aber fällt mir ein, dass ich den ‚Japanischen Garten‘ übersehen habe und weil der besonders schön ist, kehre ich gerne noch einmal um.
Eine Informationstafel am Ausgang zeigt einige Zahlen, die beeindrucken. So umfasst das Gelände 47 Hektar und bietet damit genug Platz für 19.000 Sommerblumen oder 16.000 Stiefmütterchen im Frühjahr. Rund 1.600 Bäume findet man im Park und 460 ‚Hummelstühle‘ zum bequemen Rasten. Hamburg gibt 2,4 Mio. Euro jährlich für die Beschaffung und Pflege der Pflanzen aus. Die Personalkosten sind nicht eingerechnet. Ich finde, dass das gut ausgegebenes Geld ist und vermutlich teilen die meisten der 300.000 Besucher (pro Jahr) meine Meinung.