Wenn zwei Engländer gleichzeitig durch eine Tür wollen, beginnt fast automatisch ein Ritual, das – Hand aufs Herz – eher in einer Comedy-Einlage als im wirklichen Leben seinen Platz hätte. Höflichkeit ist Pflichtprogramm: Der eine sagt „After you“, der andere antwortet tapfer: „Thank you. But no, please after you.“ Und so weiter. Minute um Minute. Bis beide — endlich losstürzen — gegen den Türrahmen knallen. Großartige Sache, das mit der Höflichkeit. Funktioniert prima bei Touristen. Bei Einheimischen? Kaum.
So ein Moment spielte sich auch heute Morgen am Überseequartier ab: Ich auf dem Balkon, Müslischale in der Hand, es war früh am Sonntag – und ein besonderer Tag. Der letzte verkaufsoffene Sonntag des Jahres und am Terminal hatte ein Kreuzfahrtriese haltgemacht. Ein Schiff mit Passagier-Wechsel in Hamburg. Drei-tausend Menschen runter, drei-tausend hoch – in wenigen Stunden. Dazu: Container voller Müll raus, Kisten voller Obst, Gemüse und anderen Leckereien rein. Getränke – natürlich. Der Kapitän? Vielleicht auch von Bord, Dienstzeit vorbei, Freizeit vor sich. Hektik de luxe.
Inmitten dieses morgendlichen Chaos ging die nette Geste „please, after you“ in Rauch auf: Ein Reisebusfahrer, drei LKWs und ein Linienbus hatten sich derart hoffnungslos ineinander verheddert, dass zehn Minuten nötig waren, um überhaupt irgendwie irgendwohin zu kommen. Irgendwann klappte es, und der Tag konnte offiziell starten.
Nach dem verkehrsreichen Auftakt suchte ich mir ein besonders ruhiges Ziel für meinen Foto-Spaziergang aus. Mit meinem nagelneuen Deutschland-Ticket in der Tasche, U-Bahn geentert. Ziel: Bahnhof Elbbrücken. Dort überraschten mich die fast autofreien Straßen – Grund: Die Freihafen-Elbbrücke ist gesperrt. Eine Schiff-Kollision vor ein paar Tagen. Ja, richtig gelesen – ein Schiff rammte eine Brücke. Der LKW-Verkehr musste sich also kreativ neu sortieren.
Vom Schiff keine Spur. Das hatte sich wohl allein befreien können. Neben der gesperrten Brücke verläuft eine Eisenbahn-Elbbrücke – in Betrieb. Gut so. Dort queren alle Züge den Fluss, also richtig viele. Die Autos von der A1? Haben ihre ganz eigene Brücke. Ein gigantischer Verkehrsknoten, der bei Störungen zur „Mission Chaos“ wird.
Ich war zwar schon mal am Bahnhof Elbbrücken, aber dieses Mal schaute ich genauer hin. Bauwerk mit Stil, Wechsel von U-Bahn auf S-Bahn, Anbindung bis Stade (!), was auf meiner Wunschliste steht. Prompt kam die Durchsage: Ab Buxtehude Ersatzverkehr. Also Plan B: gegebenenfalls den Regionalzug nutzen. Das Deutschland-Ticket griff. Alles gut.
Über die Ähnlichkeit mit dem Londoner Bahnhof ‚Canary Wharf‘ habe ich im BluePeter Blog schon einmal geschrieben. Es gibt viele Parallelen zwischen den beiden Bauwerken. Die Elbbrücken sind ein guter Ausgangspunkt für einen Spaziergang am Wasser. Man kann sich ostwärts bewegen – zur idyllischen Halbinsel Entenwerder mit nahe gelegener Kormoran-Kolonie im Frühjahr. Oder man geht westwärts – Elbe entlang bis zur HafenCity. Kurzer, schöner Spaziergang. Manchmal mit ein paar Schiffen auf dem Wasser. Morgen früh gibt es ein paar Löffel Haferflocken extra – zur Erinnerung, dass man gleich nach dem Aufstehen gut unterwegs sein kann, bevor das Chaos richtig losgeht.
























