Nachwuchs

Welch eine Freude für die Möwen und für mich. Sie haben gesunden Nachwuchs und ich habe das Nest entdeckt. Alles prima, alle sind glücklich. Wie so oft war es Zufall, denn es ist wirklich gut getarnt. Dabei brüten die Eltern ganz offen, direkt vor der Terrasse eines gut besuchten Cafés. Ich glaube aber nicht, dass viele Besucher mitbekommen haben, warum die Möwen in den letzten Tagen besonders hartnäckig am Tisch betteln. Sie brauchen gerade jeden Krümel, denn die Kleinen sind schon geschlüpft und haben mächtig Hunger. Aber erst einmal möchte ich die Eltern vorstellen. Es gibt so viele Möwenarten, da muss man sich festlegen, sonst kommt es zu Missverständnissen. Die Vogeleltern, die ich entdeckte, gehören zur Familie der Sturmmöwen. Da bin ich mir ziemlich sicher, obwohl sie in ihren ersten Lebensjahren alle naslang ihr Aussehen wechseln. Von grau-braun gescheckt bis zum blütenreinen weiß ist es ein langer Weg. Aber wenn sie dann endlich ausgewachsen sind, dann gibt es keinen Zweifel mehr. Hier also einer der beiden Eltern, wer es ist, kann nicht festgestellt werden. Selbst Fachleute können die Geschlechter am Aussehen nicht unterscheiden.

 

 

Der Nachwuchs stellt sich bei den Möwen sicherlich genauso ein, wie bei jedem anderen Vogel. Also Eier legen, brüten, schlüpfen und dann flügge werden. Aber ich will es genauer wissen und da hilft mir Wikipedia. Die Familienplanung beginnt bei den Möwen mit der Nistplatzsuche, die ausschließlich dem Männchen obliegt. Für die Gemütlichkeit sorgt seine Frau, allerdings muss er das Polstermaterial herbeischleppen. Geschieht natürlich alles wie im Flug (kleines Wortspiel). In den Breitengraden, auf denen auch Hamburg liegt, kann man damit rechnen, dass die Eier Mitte Mai gelegt werden. Die Brutzeit beträgt 23-28 Tage, dann schlüpfen die Kleinen und versuchen schon am 4. Tag kurze Ausflüge zu machen. Es sei denn, der Nistplatz wurde so schlau ausgesucht, dass ein Auskneifen nicht möglich ist. Das spart den Eltern Zeit und Nerven. Nestflüchter, wie beispielsweise die Enten, sind sie nicht. 

In der Kinderstube, die ich entdeckt habe, dürfte das Schlüpfen gerade passiert sein. Vielleicht sind die Küken, und ich denke, es sind zwei, wenige Tage alt. Sie werden noch ca. vier Wochen benötigen, bis sie fortfliegen können. Vorher ist tägliches Üben notwendig. In der Zeit passen die Eltern besonders gut auf und machen einen Höllenlärm, sobald sich irgendjemand nähert. Dann kann es richtig laut werden. Dazu kommt, dass die Möwen wenig Schlaf benötigen und deshalb mehrmals nachts aufwachen und dann kreischend um die Häuser ziehen (fliegen). Ich finde es ganz lustig und kann es inzwischen im Schlaf ausblenden. Davon werde ich nicht mehr wach. Momentan ist ihr Geschrei allerdings ‚ear splitting‘ laut.

 

 

Es fällt sofort auf, dass die Kleinen ganz anders als ihre Eltern aussehen. Die Küken haben braunes Gefieder mit dunklen Flecken. Sicherlich eine Tarnfarbe zum Schutz vor Entdeckung. Oft brüten Möwen einfach auf dem Boden und dann kommt der Fuchs vorbei und frisst sich satt. Dieser Nistplatz, mitten im Wasser, ist bestens geschützt. Kein Landtier kann ihn erreichen. Gefahr droht nur aus der Luft. Greifvögel, besonders Eulen, könnten sich am Gelege vergreifen. Sogar Artgenossen, wie die größeren Mantelmöwen, kennen kein Pardon. Zum Glück meiden sie den Hafen und sind eher an der Küste zu sehen. Alle anderen Angreifer werden von den Eltern vertrieben. Sie sitzen hoch auf einer Laterne, von wo aus sie sowohl das Nest als auch die Umgebung im Blick haben. Vater und Mutter wechseln sich ab. Einer geht auf Futtersuche und der andere hält aufmerksam Wache. Sie scheinen viel Geduld zu haben und lassen sich durch nichts ablenken. Vermutlich werden sie nur wenig schlafen. Daran wird sich in den nächsten vier Wochen nichts ändern. Danach verlassen die Jungvögel Nest und Eltern, halten sich aber durchaus noch in der Nähe auf. Überhaupt sind Möwen treue Vögel. Oft leben sie monogam mit ihrem Partner und kehren gerne jedes Jahr zum bekannten und bewährten Nistplatz zurück.