Zugegeben, das Wetter könnte besser sein. Aber es ist ja auch noch Zeit. Die Taufe findet erst am Montag statt, also in drei Tagen. Bis dahin versucht man so unauffällig wie möglich zu bleiben, was nicht ganz einfach ist. Dem Täufling fehlen nur zehn Zentimeter, dann wäre er glatte 400 Meter lang. Also ein Containerschiff der Extraklasse und das wird bei der Hapag-Lloyd Reederei mit dem Namenszusatz ‚Express‘ versehen. Eine Weltreise hat die ‚Berlin Express‘ bereits hinter sich, nämlich von der ostasiatischen Werft in den Heimathafen Hamburg. Dort fand man ein Versteck im Waltershofer Hafen. Gut vertäut liegt das nagelneue Schiff am Burchardkai und wartet auf den großen Tag.
Von der Elbe aus ist sie fast nicht zu sehen. Allerdings fällt auf, dass der Kai ungewöhnlich aufgeräumt aussieht. Und natürlich stechen die orange gestrichenen Container ins Auge, die fein säuberlich entlang der Kai-Kante abgestellt wurden. Keine Frage, das ist Werbung. Da hat man sich wohl von der Bandenwerbung im Fußballstadion inspirieren lassen. Sieht man genau hin, entdeckt man in der Mitte des Bildes einen höheren Containerstapel. Der ruht tatsächlich auf dem Schiff, um das es geht. Sobald wir in das Hafenbecken eindrehen, wird es deutlicher.
Am Bug prangt der Schriftzug ‚A CLEANER FUTURE FOR SHIPPING‘. Das Ziel will man erreichen, indem man Flüssiggas für die Maschine verwendet. Sobald man aber auf hoher See ist, wird auf Schweröl umgestellt. Immerhin ein Anfang. Der Slogan gefällt mir trotzdem nicht. Sollte es nicht eher heißen: ‚A CLEANER SHIP ENGINE FOR THE FUTURE‘ oder ähnlich?
Gut, dass die Jungfernfahrt ohne Zwischenfälle verlaufen ist. Man raunt sich nämlich unter Seeleuten zu, dass ungetaufte Schiffe zum Unglück neigen. Bestes Beispiel war die Titanic. Sie wurde ohne die feierliche Zeremonie auf die Reise geschickt und kollidierte prompt mit einem Eisberg. Was dann geschah, wissen wir alle.
Der ‚Berlin Express‘ soll kein Schaden widerfahren und deshalb hat man die Taufe bestmöglich geplant. Als Taufpatin wird die sympathische Elke Büdenbender auftreten. Falls Sie mit dem Namen nichts anfangen können, dann helfe ich nach. Sie ist die Ehefrau von Frank-Walter Steinmeier, also Deutschlands First Lady. Er wird vermutlich auch anwesend sein, aber eher in der zweiten Reihe stehen. Denn auch das ist unter Seeleuten bekannt, dass eine Schiffstaufe ausschließlich von einer Frau durchgeführt werden darf. Sollte ein Mann die Sektflasche an den Bug werfen, ist das Unglück vorprogrammiert. Was allerdings so manchen Ehrengast nicht davon abhält, es doch zu machen. Es fühlt sich nun mal gut an, wenn man im Mittelpunkt steht.
Der maritime Aberglaube schlägt viele Haken. Nach der Taufe, die hoffentlich eine Frau durchgeführt hat, ist die Dame nicht länger erwünscht. Denn eine Frau an Bord, bringt schlechtes Wetter, Unheil und schließlich Mast- und Schotbruch. Da sind sich alle einig. Hätte man schon in früheren Jahrhunderten Umfragen gemacht, dann hätte sich die Besatzung wohl eher für die Mitnahme des Klabautermannes entschieden, aber auf gar keinen Fall für die Frau des Kapitäns.
Wenn die Schiffstaufe dann mit einer Feier und Umtrunk beendet wird, kann die ‚Berlin Express‘ auslaufen. Für die Ehrengäste sieht es anders aus. Sie haben ein längeres Programm in Hamburg zu absolvieren. Denn am darauffolgenden Tag feiert Hamburg den ‚Tag der Deutschen Einheit‘ mit zahlreichen Gästen. Einer von ihnen wird Frank Walter-Steinmeier sein. Ich vermute, er wird beim Festakt in der Elbphilharmonie eine Rede halten.
Die ‚Berlin Express‘ ist dann vielleicht schon abgereist, mit Ziel Antwerpen. Sie wird allerdings nicht voll beladen sein. Das wären nämlich gut 23.000 Container und damit läge sie wohl zu tief im Wasser. Trotzdem möchte man natürlich zeigen, was das Schiff transportieren kann und da hat die Reederei hemmungslos in die Trickkiste gegriffen. Man hat nämlich die maximale Containerhöhe aufgestapelt. Das sind neun sichtbare Boxen plus drei im Schiffsbauch. Die stehen aber nur an der Reling, also an der Außenseite des Schiffes. Dahinter ist viel Luft und auch der eine oder andere Container eines Konkurrenten geparkt. Überaus pfiffig gemacht. Viel wichtiger ist aber das Hamburger Wappen am Bug. Das zeigt den Heimathafen an und da hat sich Hapag-Lloyd souverän verhalten. Man hätte anders entscheiden können, denn die Bekanntgabe, dass der Konkurrent MSC bei der HHLA (Hafen- und Logistik AG) einsteigen wird, war sicherlich schwer verdaulich. Aber bevor das letzte Wort in dieser Sache gesprochen ist, wird die Elbe noch viel Wasser transportieren. Alles Gute für den Täufling und hoffentlich sehen wir das Schiff noch recht oft im Hamburger Hafen.