Schmusen und geniessen

Das Wochenende bietet noch einmal Sommerwetter vom Feinsten. Trotzdem wird es das Finale sein, denn der Herbst steht vor der Tür. Wer kann, nutzt den Tag, um ein letztes Mal leicht bekleidet die warme Sonne auf der Haut zu spüren. Ich hatte mir vorgenommen, endlich einmal wieder ‚Planten un Blomen‘ zu besuchen. Theoretisch könnte ich zu Fuß gehen, aber mit Rückweg wird mir das zu anstrengend. Nach einigem Suchen entschied ich mich für eine kurze U-Bahnfahrt vom Baumwall zur Sternschanze. Das war eine gute Wahl, denn ‚Planten un Blomen‘ liegt dort quasi vor der Tür. Vermutlich werden auch Nicht-Hamburger den Namen, der aus dem Plattdeutschen stammt, übersetzen können. Es bedeutet ganz einfach ‚Pflanzen und Blumen‘ und genau das erwartet einen auf einer Fläche von 47 Hektar (Stadtpark: 148 Hektar, Ohlsdorfer Friedhof: 390 Hektar). In diesem Jahr wurde ‚Planten un Blomen‘ zum schönsten Park Deutschlands gekürt. Kein Wunder, denn er ist abwechslungsreich gestaltet, blüht fast ganzjährig, liegt zentral und kostet keinen Eintritt. 

Ich nahm den Eingang an der Rentzelstrasse, gleich neben dem Fernsehturm (offiziell: Heinrich-Hertz-Turm). Schon nach wenigen Schritten atmet man tief und befreit durch. Man spürt mit allen Sinnen, dass man eine andere Welt betreten hat. Es waren noch nicht viele Besucher unterwegs, dafür umso mehr sportliche Jogger. Einige zogen elegant an mir vorbei, andere schnauften schon bedenklich. Ich gehe eher langsam, bleibe oftmals stehen, schaue mir alles genau an und nehme regelmäßig die Kamera hoch. Nicht immer drücke ich ab. Inzwischen bin ich aufmerksamer geworden und prüfe schon vorher, ob es sich lohnt. Nicht selten sehe ich erst im Sucher, dass eine Mülltonne dominant vor meinem Motiv steht oder ein hässliches Graffiti den Hintergrund ausfüllt. Dann eben nicht, es wird sich eine bessere Gelegenheit finden. In dem Moment überholen mich zwei junge Männer. Sie sind in einem intensiven Gespräch vertieft. Beide tragen vollgepackte Taschen und prall gefüllte Rucksäcke. Bestimmt Touristen, denke ich mir. Als sie schon ein Stück entfernt sind, fällt mir etwas Merkwürdiges auf. Beide tragen einen buschigen Schweif an ihrer Hose! Der eine fällt nicht so sehr auf, denn er ist schwarz mit roter Spitze, der andere ist leuchtend schwarz-orange, offensichtlich ein Tigerschwanz. Erst bin ich etwas verblüfft, dann schmunzele ich über den Anblick und freue mich, dass es Leute gibt, die bereit sind, Freude zu verbreiten, auch oder eben gerade, weil sie sich selbst zum Gespött machen. Das kenne ich aus England, aber nicht von den Deutschen. Die bevorzugen eher die Schadenfreude oder den Witz auf Kosten eines Anderen.

 

 

Meine Entscheidung war goldrichtig, diesen letzten Sommertag hier zu erleben. Es ist noch einmal angenehm warm und das Licht lässt die Farben leuchten. Die Cafés haben schon geöffnet, was die Besucher erfreut. Mancher frühstückt hier oder genießt einen zweiten Morgenkaffee. Ich lasse mich treiben, gehe die Wege, die spannend aussehen. Ich habe meine Route nicht geplant, werde aber sicherlich keinen Rundgang machen. Es gibt genug Bahnhöfe rund um den Park, obwohl sie für mich unpraktisch sind. Ich muss sehr wahrscheinlich nach einer Station schon wieder umsteigen und dann noch einmal eine Kurzstrecke weiterfahren. Es ist, wie es ist, würde Steffi aus dem Schlemmer-Imbiss jetzt sagen. Auf jeden Fall orientiere ich mich in Richtung ‚Alter Botanischer Garten‘, der unmittelbar am Dammtor Bahnhof liegt. Dort ist noch ein letzter Rest des Hamburger Wallgrabens zu sehen. Schließlich erreiche ich die ‚Kleinen Wallanlagen‘. Auch hier sind weite Grünflächen, viele Bänke und ‚Hummel-Stühle‘ aufgestellt und viele nutzen das Angebot. Aber die gärtnerische Gestaltung ist viel schlichter als in den ersten beiden Teilen von ‚Planten un Blomen‘.

 

 

Obwohl ich nun schon einige Kilometer unterwegs bin, fühle ich mich pudelwohl. Das Laufen fällt leicht, die Luft ist voller Energie, alles passt. Ich entscheide mich weiterzugehen, und zwar bis nach Hause in die HafenCity. Den Park verlasse ich am südöstlichen Ende, überquere den Holstenwall und bin dann in der Peterstraße. Wieder eine ganz andere Welt, denn hier befindet sich das ‚Komponisten-Viertel‘. Ein paar wunderschöne alte Häuser sind hier stehen geblieben. Eine kleine, verzauberte Märchenwelt. 

Schließlich treffe ich noch ganz real auf einige Märchenwesen. Einen Fuchs, einen Wolf und einen Schmusekater. Ach ja, auch der Tiger war dabei. Diesmal aber komplett in Fell verkleidet, was den Schweif erklärt, dem ich früher auf meinem Ausflug begegnet bin. Für Fasching ist es die falsche Zeit und für einen Kindergeburtstag sind die Teilnehmer zu groß. Was also ist hier los? Ich frage einfach mal einen, der offensichtlich dazugehört, aber ganz ’normal‘ gekleidet ist. Er scheint sich über mein Interesse zu freuen und klärt mich strahlend auf: „Das ist die ‚International Furry Convention 2024′“. Die Teilnehmer reisen aus allen Kontinenten an. Die ‚Furry-Bewegung‘ zählt ungefähr 5.000 begeisterte und vor allem aktive Fans. Es geht um Rollenspiele, die längst von vielen erwachsenen Leuten ganz offen betrieben werden. Man verkleidet sich als Ritter, Prinz(essin), Alien oder als Zauberlehrling. Ich kenne solche Spiele, allerdings hörten wir damit auf, als wir unseren zehnten Geburtstag feierten, also gefühlt erwachsen waren. Ich hätte nicht das Selbstbewusstsein, um bei ihnen mitzumachen; finde es aber durchaus amüsant. Diese spezielle Gruppe bot noch ein ganz besonderes Extra an. Bei ihnen ging es um tierische Verkleidung. Alles, was ein Fell trägt (natürlich nutzt man ausschließlich Kunstfelle), darf mitmachen. Und zusätzlich bekennt man sich zum Schmusen. Tatsächlich umarmten sich einige Plüsch-Füchse und -Hunde intensiv und immer wieder. Ich packte die Gelegenheit beim Schopf bzw. beim Nackenfell und fragte höflich an, ob ich auch mal eine Umarmung bekommen könnte. Man stutzte kurz, dann breitete der graue Hund seine Pranken aus und nahm mich an seine flauschige Brust. „Vorsicht, ich bin nass“, sagt er mir noch schnell, bevor ich mich dankbar an ihn schmiegte. Herrlich, ein lebensgroßes Plüschtier, das reden kann. Sein Fell-Kostüm ist tatsächlich feucht. Die Show ist schweißtreibend und ich möchte nicht in ihrer Haut/Fell stecken. Wer das bei den sommerlichen Temperaturen über Stunden aushält, muss einen stabilen Kreislauf haben. Aber nett waren sie alle, am liebsten hätte ich einen von ihnen gleich mit nach Hause genommen.

 

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