Ich mag sie. Ich mag sowohl ihr Schimpfen als auch ihr Lachen, das nicht selten ein wenig nach Schadenfreude klingt. Meistens allerdings ist es die pure Lebensfreude, was man nachvollziehen kann, wenn man ihre rasanten Flugmanöver verfolgt. Das muss einfach Spaß machen. Mühelos schwingen sie sich, von der Thermik getragen, in die Höhe, kreisen dort ein paar Erkundungsrunden und stürzen sich dann in die Tiefe. Mal direkt auf ein Fischbrötchen oder die schlaue Art, die sie aber nur zu zweit anwenden können. Der eine fliegt eine offene Attacke von vorn, der Angegriffene reißt entsetzt die Arme hoch, um den ‚bösen‘ Vogel abzuwehren und dann greift sich der Partner die Chipstüte elegant aus der Hand im Vorbeiflug. Das Frühstück wird ehrlich geteilt. Kurz später sind die Vögel satt und wirken höchst vergnügt. Ganz anders der bestohlene Mensch, der zu ahnen beginnt, dass man ihn ausgetrickst hat.
Heute Morgen hatte ich mir also vorgenommen, die Möwen zu fotografieren. Nicht einfach, denn sie sind schnell. Tauchen auf dem Nichts auf, fliegen verdammt schnell und scheinen ein gutes Auge zu haben, denn manche Flugmanöver sehen riskant aus. Vielleicht täuscht es, denn es geht immer gut. Aber es ist halt schwierig, ihr Auftauchen vorauszuberechnen. Ich war aber gut vorbereitet, hatte kameratechnisch alles parat, was man für solche Situationen braucht. Einzig die Möwen fehlten. Es war keine einzige weit und breit zu sehen, dabei war ich volle neunzig Minuten unterwegs, immer haarscharf entlang der Waterkant. Damit hatte ich nicht gerechnet und fing an zu spekulieren. Kann es sein, dass Möwen kirchentreu sind? Waren sie womöglich alle im Sonntagsgottesdienst versammelt, während ich die Landungsbrücken entlang marschierte? Abgereist, wie meine Nachbarn gestern Abend, waren sie sicher nicht. Sie hatten mich nämlich wach gemacht, als sie kurz vor (!) Sonnenaufgang lautstark ihren Tag begannen. Gut möglich, dass diese Erfahrung den Schlüssel zum Geheimnis birgt. Jedenfalls weiß ich von anderen Tieren, dass sie einen sehr geregelten Tagesablauf haben. Da wird frühmorgens gefrühstückt und anschließend eine mehrstündige Verdauungspause eingelegt. Vielleicht sollte ich meinen Wecker stellen und einfach mal ganz früh auf Fototour gehen?
So kam ich mit leeren Händen bzw. Speicherkarten zurück, hatte aber wenigstens ein paar Fotos aus den letzten Wochen. Die habe ich mir mal durchgesehen und dabei festgestellt, dass es deutlich mehr Möwenarten gibt, als ich gedacht hatte. Noch fällt es mir schwer, die abgelichteten Möwen zuzuordnen, aber meistens lerne ich es am schnellsten, indem ich mich damit beschäftige. Das hier soll der Anfang sein.