Still wird es nie

Schon wieder ein Streiktag in Hamburg mit massiven Auswirkungen. Im Hafen fährt keine Fähre mehr. Zwei Tage lang muss man auf andere Verkehrsmittel ausweichen, was nicht einfach ist. Die Fähre benötigt 10 Minuten zum Airbus Werk, mit dem Bus dauert es über eine Stunde. Die Betreiber der Musical-Theater am Südufer der Elbe haben kurzfristig Ersatz gefunden. Ihre Shuttle-Boote fahren wie gewohnt. Vielleicht ist es nur ein Zufall, aber der Hafen ist ungewöhnlich leer. Kein Kreuzfahrer hat festgemacht und die Terminals sind wie ausgestorben. Wer konnte, hat den Hafen rechtzeitig verlassen. Wahrscheinlich hat man Angst, dass der Streik ausgeweitet wird und man auf einmal im Hafen festsitzt. Zeit ist Geld, ganz besonders in der Schiffahrt.

Mein täglicher Spaziergang führt mich trotzdem über die Landungsbrücken und ich habe sogar die Kamera dabei. Wer weiß, ob sich nicht doch ein Motiv finden lässt? Genau so kommt es und ich muss gar nicht lange suchen. Man bettelt mich gerade zu an, dass ich doch bitte ein Foto machen soll. Die Teilnehmer des spontanen Shootings drängeln sich lautstark um den besten Platz. Es handelt sich um Möwen in allen Größen und Gefiederfarben. Einige begleiten mich von Brücke 1 bis Brücke 10. Sie sehen sich zwar alle ähnlich, aber einige tragen eine Nummer am Bein und sind damit unverwechselbar. Also Irrtum ausgeschlossen.

 

An der Elbe trifft man vor allem auf Lachmöwen, Sturmmöwen und die deutlich größeren Mantelmöwen. Manchmal auch auf Schwarzkopfmöwen, die aber den Lachmöwen zum Verwechseln ähnlich sehen. Das Problem beim Erkennen liegt in der Wandlungsfähigkeit des Gefieders. Manche Arten sehen im Winter ganz anders als im Sommer aus. Und bei den Lachmöwen ändert sich die Farbe des Gefieders mit dem Alter. Ich versuchte es mir einzuprägen, bin aber nicht sehr weit gekommen. Die Möwen scheinen kein Problem zu haben, denn sie leben monogam und finden sogar jedes Jahr zum alten Nistplatz zurück. Eine erstaunliche Leistung. 

Plötzlich passiert etwas auf der Elbe. Ein Schiff fährt mit hoher Geschwindigkeit flussabwärts. Ihm folgt ein kleines Polizeiboot, das sich stetig nähert. Sind die etwa im Einsatz? Werden sie den Frachter stoppen? Oder beobachte ich eine Filmszene? Das passiert oft im Hafen, die TV-Vorabend-Serien spielen nicht selten am oder auf dem Wasser. 

 

 

Zurück zu den Möwen. Die haben sich das Spektakel genauso interessiert angesehen, wie ich es tat. Ein besonders kontaktfreudiges Pärchen begleitet mich schon eine ganze Weile. Wenn ich weitergehe, kommen sie hinterher geflogen und lassen sich auf einem der vielen Pfähle nieder. Sie sind etwas größer als die Lachmöwen und deshalb tippe ich auf Sturmmöwe. Dazu passen auch die gelben Beine und tiefdunklen Augen mit rotem Rand. Aber sicher bin ich mir nicht. Selbst Experten müssen zweimal hinsehen. Umso besser, dass die Möwen plötzlich von allen Seiten kommen und sich eng nebeneinander auf dem Geländer drängen. Da habe ich sie auf einmal alle nebeneinander und kann viel besser abschätzen, wer eher groß oder klein ist.

 

 

Das Geschrei ist markant. Mal heiser und dann wieder fast kreischend. Mal hört es sich nach Streit und Zank an und im nächsten Moment scheinen sie laut zu lachen. Auf jeden Fall ist viel los. Kein Wunder, denn die Paarungszeit ist im Gange. Die Nester wurden bereits ausgesucht und stehen unter Bewachung, damit kein anderes Pärchen dort einzieht. Im nächsten Monat beginnt die Eiablage und dann wird rund um die Uhr gebrütet. Ein Elternteil bringt Nahrung heran, der andere hält die Temperatur konstant. Vermutlich wechselt man sich ab. Im Mai schlüpfen die Jungen und ca. vier Wochen später werden sie das Nest verlassen. Dann sind sie hoffentlich kräftig genug, um sich mit eigener Kraft in die Luft zu schwingen. Die Eleganz kommt schnell. Ein paar Versuche, besonders bei der Landung, wirken erst einmal tollpatschig, aber es dauert nicht lange und dann schweben sie mühelos am Himmel über das Wasser.