Wenn man in der Stadt ist, also in Hamburgs Zentrum, dann kommt man am Rathaus eigentlich immer vorbei. Das auffallend attraktive Gebäude liegt zentral zwischen Alster und Hafen, zwischen der exklusiven Einkaufsmeile am Neuen Wall und der eher robusten Mönckebergstraße mit Karstadt Kaufhaus und Saturn Markt. Ich marschiere bestimmt einmal wöchentlich über den Rathausmarkt, denn von der HafenCity bis dorthin benötige ich nicht länger als 20 Minuten zu Fuß. Heute bin ich aber ausnahmsweise mal mit der S-Bahn gefahren, weil ich die endlich einmal kennenlernen wollte. Es ist nur eine Station von der Haltestelle Überseequartier bis zum Jungfernstieg, aber die Fahrt dauert erstaunlich lange. Vermutlich ist es die längste Strecke im gesamten Netz. Die Gleisstrecke ist ca. 3 km lang und verläuft in über 40 Meter Tiefe. Anfangs fährt man quer unter dem Grasbrookhafen durch, dann geht die Fahrt nördlich unter dem Binnenhafen durch und folgt dem Alsterfleet. Statt direkt den Bahnhof Jungfernstieg anzusteuern, hat man die Gleise in einem weiten 180° Bogen verlegt, der fast den Gänsemarkt berührt. Vermutlich war es anders nicht möglich, denn der Bahnhof war schon vor dem Bau der Linie S4 extrem vernetzt. Ein komplexer Knotenpunkt, mit mehrgeschossigen Gleisanlagen und in weiten Teilen unter der Binnenalster verlegt. Ein technisches Wunderwerk, von dem wir Nutzer nur wenig sehen können. Es gibt Konstruktionszeichnungen im Web von der HVV, die eine Vorstellung vermitteln.
Wenn ich am Rathaus bin, dann oft nur um zu schauen, was so in der Stadt los ist. Und jedes Mal packe ich spätestens dann die Kamera aus und denke mir, heute wird es gelingen. Heute mache ich das perfekte Foto von der beeindruckenden Fassade. Dann eile ich von einer Ecke des Vorplatzes zur anderen, aber immer fehlt der nötige Abstand. Das Haus ist einfach zu groß und der Turm zu hoch, um alles in einem Bild einzufangen. So ging es mir auch heute wieder, bis ich mich schließlich kompromissbereit den baulichen Gegebenheiten stellte. „Dann eben nicht“, sagte ich mir. „Dann eben stückchenweise“, vielleicht lassen sich die Bilder später wie ein Puzzle zusammenfügen? Ich versuchte es tatsächlich, kam dann aber auf eine andere Idee. Wenn ich das Bild einfach so lasse, wie es ist, dann kann man die Fassadendetails ausgezeichnet erkennen. Das ist reizvoll und führte mich automatisch zur nächsten Frage: Was denn dort zu sehen ist? Auf jeden Fall etliche Figuren, darunter eine ganze Kaiser-Armada. Sie wurden von links nach rechts in chronologischer Reihenfolge aufgestellt. Die wichtigsten Herrscher stehen in der Mitte, gleich über dem gar nicht so großen Haupteingang.
Auf dem Rathausmarkt ist nichts los. Keine Veranstaltung mit Buden, keine Demo mit Fahnen. Also nutze ich die Gelegenheit und versuche mich noch einmal an der Frontalaufnahme. Mit kleiner Brennweite und möglichst großem Abstand gelingt es dann doch noch. Das Haus ist in ganzer Breite zu sehen und der Turm in seiner beachtlichen Höhe eingefangen. Beim Auslösen bemerke ich eine Bewegung auf einem der Balkone ganz rechts. Dort liegt doch das Büro des Ersten Bürgermeisters. Jedes Mal, wenn ich hier stehe, blicke ich kurz zu ihm hinauf, immer in der Hoffnung, ihn endlich einmal am Fenster fotografisch zu erwischen. Bisher gelang es nie, noch nicht einmal ein Schatten war erkennbar. Wahrscheinlich sind die Chancen auf ein ungeplantes Treffen bei einer Rathaus-Führung deutlich besser. Aber dafür habe ich heute keine Zeit. Tatsächlich öffnet sich dort oben die Balkontür, ich halte erst mal die Luft an. Dann wird aber schnell klar, dass der Bürgermeister ganz sicher nicht anwesend ist. Stattdessen sind die Handwerker aktiv.