Zum Piepen

Ich habe schlechte Laune. Der Winter scheint doch noch am Leben zu sein. Statt Frühlingssonne wilder Wechsel. Wolken jagen über den Himmel und laden im Minutentakt ihre Fracht ab. Mal Regen, mal Graupel und dann sogar Schnee. Nicht davon ist von Dauer, alles nur eine Laune der Natur. Kein Wunder, dass ich auch anfange, launisch zu reagieren. Da hilft dann eigentlich nur eins, nämlich ein aufmunterndes Gespräch. Wenn aber niemand zur Verfügung steht, dann muss man eben improvisieren und selbst für gute Stimmung sorgen. Ich habe es in meinem Fotoarchiv probiert und mal unter dem Ordner ‚Lustiges‘ nachgesehen. Es hat funktioniert. 

Das erste Foto, das ich fand, hatte ich im Neuen Wall aufgenommen. Es zeigt, äh, nun ja, eigentlich nichts. Oder fast nichts. Eine einsame Schaufensterpuppe ist zu sehen. Ihr fehlen Kopf, Arme und Beine. Mit anderen Worten, es ist nur ein Torso, bekleidet mit einem dunklen Stück Stoff. Auch das hatte man so weit reduziert, wie nur irgend möglich. Eine Tasche, ein Paar Schuhe und ein Preisschild runden die Szene ab. Die Preise waren das Einzige, an dem man nicht gespart hatte. Für knapp 500 Euro können Sie das ‚Kleid‘ mitnehmen. Damit das Arrangement stimmig wirkt, hat man vermutlich auch gleich den Boden entfernt. Nackter Estrich und eine lausig verarbeitete Gipssäule, die auf das erste Schleifen wartet, runden das Bild ab. Der Dekorateur wollte Akzente setzen, indem er alles fortlässt, was nicht unbedingt nötig ist. Man nennt es ‚Minimalismus‘ und der ist gerade schwer im Trend. Ich bin übrigens eine große Anhängerin des Reduzierens, aber auf andere Art als die hier praktizierte. Nun ja, ich gehöre auch nicht zur Zielgruppe des Modegeschäfts. – Gesehen bei Jil Sander, Neuer Wall, Hamburg.

 

Foto: Brigitte Peters

 

In Hamburgs Upper Class Einkaufsstraße haben sich alle Modemarken angemietet, die Anspruch auf ‚Leadership‘ erheben. Ganz in der Nähe bleibe ich erneut vor einem Schaufenster stehen. Es sieht bunter und deshalb interessanter aus. Den Puppen hat man die Extremitäten nicht abgerissen und sie haben sogar ein Gesicht bekommen. Trotzdem stutze ich und beginne in mich hineinzukichern. Heißen die wirklich ‚Acne Studios‘? Praktiziert vielleicht ein Hautarzt im 1. Stock, der seine Reklame ungeschickt an die Fenster gepappt hat? Oder sind es Chinesen, die ihren gewählten Namen noch nicht in aller Bedeutungsbreite erfasst haben? Nein, es ist Absicht (vermute ich). Ein Blick auf ihre Webseite macht deutlich, dass man sich modisch an die Akne geplagte Altersgruppe wendet. Nehmen Sie sich die Zeit und besuchen Sie die Webseite von ‚Acne Studios, Hamburg‘. Sie kommen aus dem Lachen nicht mehr heraus, lieber vorher ein Taschentuch holen, um die Tränen abzuwischen.

 

Foto: Brigitte Peters

 

Der Friseur hat sich Mühe gegeben. Er will auf sein kleines Geschäft aufmerksam machen und hat sich etwas einfallen lassen. Das Geschäftsjubiläum wird an der Scheibe angepriesen. Den Namen hat er so gewählt, dass es jeden anspricht. Frisch, modern, international. Dabei ist ein kleines Missgeschick passiert, denn der Plural ‚men‘ lässt sich leider nicht verdoppeln. Mich freut es, denn es lässt mich (leise) schmunzeln. Fehler passieren und darüber will ich mich dann doch nicht lustig machen. Die gute Absicht zählt.

 

Foto: Brigitte Peters

 

Dieser Agentur ist ein Fehler in die andere Richtung unterlaufen. Sie firmieren als ‚Boutique-Agency‘, was immer das sein mag. Sie bieten Dienste in der Kommunikation an, sind aber irgendwie bei der eigenen Darstellung stecken geblieben. Ihr Name lautet ‚Nordpol +‘, was in meiner Vorstellung viele Bilder hervorruft, rege Unterhaltung ist aber nicht darunter. An der Fassade hat sich ein zweiter Begriff hinzugesellt. Die letzten Buchstaben sind vielleicht abgefallen, aber ich lese dort ‚Interpol +‘. Fehlt vielleicht ein Teil des Namens? In der Mitte tut sich eine verdächtige Lücke auf. Oder hat der Maler auf eigene Faust improvisiert? Ich werde es wohl nie herausfinden, fand es aber lustig, als ich es am Ballindamm gesehen habe.

 

Foto: Brigitte Peters