Dahliengarten

Ich war noch nie im Volkspark. Irgendwie war das nie meine Gegend und der Fußball reicht mir nicht als Lockmittel. Als ich aber von Hamburgs Dahliengarten erfuhr, brauchte ich nicht lange zu überlegen, um die Fototasche zu packen. Der HVV-Bus brachte mich direkt vor den Eingang an der Stadionstraße. Schon auf der Fahrt dorthin staunte ich nicht schlecht. Die engen Straßen in Altona, die alte Bebauung von Ottensen, all das war mir fremd. Da haben sich gleich einige neue Ziele gefunden, die ich unbedingt besuchen will. Vor allem auch deshalb, weil meine Großeltern, und zwar alle vier, dort geboren wurden und lange dort lebten. Zunächst war aber Bahrenfeld dran, denn so heißt der Stadtteil, in dem der Dahliengarten zu finden ist. Er liegt unmittelbar an der Nordwestecke des Volksparks.

Eine bunte Blumenpracht erwartete mich. Ein Farbenmeer mit über 10.000 Dahlien (ich habe nicht nachgezählt) und mehr als 600 verschiedene Sorten. Große und kleine Blüten, strahlenförmig oder geschlossen wie ein kleiner Ball und dazwischen einige Exoten, mit Blütenblättern so dünn wie feines Seidengeflecht. 

 

 

Der Garten wurde streng geometrisch angelegt. Wege und Beete ergeben eine Figur mit zwei Symmetrieachsen. Alle Wege führen um ein kreisrundes Zentrum; rundherum wurden Bänke und Sitzmöbel aufgestellt. Auch die Beete sind in ihrer Bepflanzung identisch. Vorn eine Hecke aus dichten Gräsern, dann die Dahlien und dahinter eine akkurat gestutzte Hecke. Einzig die Farben bringen Abwechslung, denn sie sind bunt durcheinander gemischt, wenn auch eine Sorte sauber getrennt neben der anderen steht. Ich fühlte mich an eine Art militärische Ordnung erinnert, denn die Pflöcke, an denen die Stauden festgebunden sind, stehen wie Zinnsoldaten in Reih und Glied. Schon bald empfand ich es als langweilig, weil sich der Anblick stets wiederholte. Allerdings, wie soll man es sonst machen? Die Frage konnte ich mir auch nicht beantworten. Und als ich dann den Hinweis las, dass es sich um eine ‚Dahlien-Anzucht‘ handelt, da fiel der Groschen. Ich hatte mich von der Bezeichnung ‚Dahlien-Garten‘ in die Irre führen lassen. Diese prachtvollen Blumen werden nicht als parkartiger Garten präsentiert, sondern eher wie in einer Gärtnerei. 

 

 

Leidenschaftliche Hobbygärtner werden sicherlich auf ihre Kosten kommen (die nicht entstehen, denn der Besuch ist kostenfrei). In dieser Dahlien-Vielfalt kann man sich Appetit holen auf die Auswahl der Sorten, die man dann selbst im Garten pflanzen möchte. Ich bin da eher eine Randfigur, denn meine gärtnerischen Ambitionen sind wenig ausgeprägt. Nachdem ich meine Erwartungen neu justiert hatte, machte ich mich mit Freude auf den Weg. Man hat einige Informationstafeln aufgestellt, deren Inhalt mir weitergeholfen hatte. Ich wusste nicht, dass die Dahlie ursprünglich in Mexiko kultiviert und von ersten Seereisenden mitgebracht wurde. Auch ihr alter Name ‚Georginen‘ gefällt mir, weil er mich an meinen englischen Freund George erinnert. Da laufe ich aber gedanklich schon wieder in die falsche Richtung, denn mit den Briten hat es nichts zu tun. Der Namensvetter war der Botaniker Johann Gottlieb Georgi, er stammte aus Pommern und hatte diesen Vorschlag gemacht. Eigentlich egal, denn ich will fotografieren und dafür brauche ich lediglich die Farben und Formen der Blumen. Das ist Grund genug.

 

 

Eine Blume, die leuchtend gelbe, hat sich wohl unter die anderen gemogelt. Ich denke, sie haben mit den Dahlien nichts zu tun, aber ich war ganz glücklich über die Abwechslung. Auf einer weiteren Infotafel lese ich, dass die Blume auch in der Küche Verwendung findet. Das war mir bisher nicht bekannt. Die Knollen können wie Kartoffeln gekocht werden und die Blätter dienen wahlweise als Spinat- oder Rucola-Ersatz. Wer es kreativ mag, röstet die Knolle und brüht sich damit einen alternativen Kaffee auf.

Die Dahlien werden gehegt und gepflegt. Ich finde nahezu kein ausgeblühtes Exemplar unter den unzähligen Blumen. Die Gärtner gehen sicherlich täglich mit Argusaugen und Schere durch die Reihen. Die Wässerung geschieht wohl automatisch, denn in den Beeten stecken Lanzen im Boden, die vermutlich den Dienst erledigen. Alles ist tipptopp sauber, auch die Bänke, die zum Sitzen einladen. Auch sie sind streng geometrisch und in gerader Reihe aufgestellt, passend zum ‚Garten‘. Gerade morgens, wenn noch nicht viele Leute dort sind, bieten sie einen schönen Platz zum Verweilen, Träumen oder Lesen an. 

 

 

Ein Schmetterling, ein Tagpfauenauge, flattert heran und lässt sich kurz auf einer Bank nieder. Gerade genug Zeit für mich, um eine Aufnahme zu machen. Es ist schwer zu glauben, aber anscheinend nehmen Schmetterlinge die Kamera wahr und fliegen so schnell wie möglich weiter. Ich habe es schon unzählige Male erlebt. Es wird nicht mehr lange dauern, dann braucht er ein Winterquartier. Die Dahlien können auch nicht im Freien überwintern. Deshalb sollte man den Besuch vor dem ersten Nachtfrost planen. Der könnte schneller kommen, als man denkt. Das abrupte Ende des hochsommerlichen Wetters hat die Launen der Natur gezeigt. Über Nacht wechselten wir von den Shorts in die lange Unterhose.

Ich war gerne im Dahliengarten, weil er so schöne Motive bietet. Der Volkspark selbst hat bestimmt noch viele interessante Ecken, die ich mir anschauen sollte. Aber mein nächster Spaziergang im Grünen wird eher in Planten & Blomen stattfinden, wo es mehr Abwechslung gibt. Allerdings hinkt mein Vergleich, wie ich bereits ansprach, denn der Dahliengarten will gar keine Parklandschaft sein, sondern ein Ort, an dem die bunten Zierpflanzen in breiter Vielfalt vorgestellt werden.

 

 

 

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