Klare Sache, die Neustadt wurde erst nach Gründung der Altstadt erbaut. Sie ist flächenmäßig etwas größer und hat deutlich mehr Einwohner, pro Quadratkilometer etwa dreimal so viele. Sie liegt unmittelbar westlich der Altstadt und hat ihren historischen Kern an der Neuen Burg, die unmittelbar neben der Nikolai Kirche stand. Dort war die Schnittstelle und dort kam es zunächst zu Reibereien. Grund war der Bauherr. Ein Graf aus dem Holsteinischen, der hier eine Kaufmannssiedlung gründen wollte. Einen Ort, an dem der Profit an erster Stelle stehen sollte. Das passte dem Domherren der Altstadt gar nicht. Er setzte ganz auf die Macht der Kirche und damit leider auf das falsche Pferd. Der neue Landbesitzer zeigte sich wehrhaft und setzte sich schließlich durch. Beide Kontrahenten kann man noch heute auf der Trostbrücke sehen. Auf der einen Brückenseite steht die Statur von Graf Adolf III. aus Holstein und gegenüber die des Bischof Ansgar.
Der Kaiser stand dem weltlichen Grafen näher und erteilte ihm schließlich einen Freibrief, der der Neustadt umfangreiche Handelsprivilegien zuwies. Der Vorteil war unschlagbar und überzeugte auch die Kaufleute in der Altstadt. Inzwischen wissen wir, dass der Brief eine Fälschung war. Aber die Wirkung war ungemein. Dem angeblich so großzügigen Kaiser hat man natürlich auch ein Denkmal gesetzt, dass in der Speicherstadt zu finden ist. Am südlichen Zugang zur Brooksbrücke steht die Figur von Kaiser Friedrich Barbarossa. Wir lassen ihn jedes Jahr im Mai zum Hafengeburtstag hochleben. Die kleine Schwindelei ist längst vergessen. Barbarossa war nämlich überraschend verstorben, bevor er die Urkunde angeblich besiegelt hatte. Damals gab es zum Glück kein Internet und keine ‚Breaking News‘.
Lange Zeit lag die Neustadt vor den Stadtmauern, war also gegen Angriffe ungeschützt. Dann wurden die Wallanlagen weiter in den Westen versetzt und das war eine glückliche Fügung. Es geschah nämlich während des Dreißigjährigen Krieges, kurz bevor die kämpfenden Truppen Norddeutschland erreichten. Hamburg kam fast ungeschoren davon.
Die Neustadt war ein beliebter Wohnort, war aber schließlich völlig überlaufen. Ende des 19. Jahrhunderts zählt man über 90.000 Menschen (heute leben dort ca. 12.000), die oft in ärmlichsten Verhältnissen hausten. Dort in der Neustadt hatten sich die Gängeviertel entwickelt und dort begann dann auch der Ausbruch der Cholera.
Heute ist die Neustadt bei den Hamburgern wahrscheinlich beliebter als die Altstadt. Sie hat einfach ein enormes Freizeitangebot. Tagsüber genießt man die Natur in den Wallanlagen oder gleich im Park von Planten & Blomen. Dann besucht man eines der vielen Museen oder die Landungsbrücken am Hafen. Abends kann man dann in das Portugiesenviertel gehen und unter zahlreichen Restaurants sich das Beste aussuchen. Der Neue Wall und das Passagenviertel laden zum Shopping ein. Und der Michel hat ohne Frage eine Sonderstellung unter den großen fünf Hauptkirchen. Auch St. Nikolai gehört zur Neustadt. Die Kirche wurde im Krieg schwer zerstört und steht heute als mahnende Ruine an der Grenze zur Altstadt.
Die Grenze zwischen Alt- und Neustadt ist längst verschwunden. Vermutlich kennt kein Hamburger mehr den Verlauf, obwohl der sich im Straßenbild erhalten hat. Man muss nur dem Alsterfleet folgen, also dem Neuen Wall und dann der Admiralitätsstraße. Übrigens, ein hübscher Weg und die kürzeste Verbindung zwischen Alster und Elbe. Allerdings sollte man nicht die Straßen nutzen, sondern den Fußweg direkt am Fleet.