Wer in Hamburg lebt und dann auch noch am Hafen wohnt, wird auf Dauer nicht widerstehen können. Irgendwann schleicht sich die Idee ein, dass man doch eigentlich auch mal eine Schiffsreise wagen könnte. Die schmucken Kreuzfahrer ziehen fast täglich die Elbe rauf und abends wieder runter, warum also nicht mal mitfahren? Ich wagte es im Frühjahr, entschied mich kurz entschlossen zu einer Mini-Kreuzfahrt. Was soll da schon schiefgehen? Das Ticket ließ sich bequem im Internet bestellen und weil der Reiseantritt erst sechs Monate später erfolgen sollte, machte ich mir nicht allzu viele Gedanken um das ‚Kleingedruckte‘. Damit meine ich nicht irgendwelche juristischen Klauseln, sondern die natürlichen Umstände, die dem Neuling nicht in den Sinn kommen. Etwa das Wetter. Das ist im Winter anders als im Sommer und auf der von mir gewählten Route (Hamburg – Southampton – Le Havre – Hamburg) durfte ich mir fast sicher sein, dass es ruppigen Wind und stürmische See geben wird. Gut, dass ich es nicht wusste, denn sonst hätte ich ängstlich gekniffen. Aber erst einmal stelle ich das Schiff vor, auf dem ich fünf Tage bzw. sechs Nächte verbrachte: Es war die AIDAnova.
Gebaut wurde sie 2018 bei der Meyer Werft in Papenburg. Ihre Maße sind beeindruckend: 335 Meter lang, 42 Meter breit und ca. 60 Meter hoch. Genug Platz für 20 Decks. Die Seitenfläche misst 15.500 qm, was spätestens bei starkem Wind bedeutsam wird. Ein großes Segelschiff bringt es auf ca. ein Zehntel der Fläche. Keine Frage, die AIDAnova gehört zu den großen Schiffen ihrer Art.
Mit einer Besatzung von ungefähr 1.500 Mitarbeitern können bis zu 6.654 Passagiere sicher und rundum gut verpflegt über das Meer geschaukelt werden. Das ist sicherlich kein individueller Tourismus, sondern eher im Stil eines Groß-Events, denn immerhin reicht das aus, um alle Bewohner von Altona mitzunehmen und zusätzlich die Wandsbeker einzuladen.
Um schon mal einen Blick zu werfen, habe ich mir die AIDAnova im Hafen angesehen. Sie kommt regelmäßig vorbei, fährt fast im ‚Liniendienst‘ immer von Hamburg nach England und Frankreich. Manchmal auch Rotterdam oder Dänemark. Ihr Stamm-Liegeplatz im Hamburger Hafen ist das Kreuzfahrtterminal auf Steinwerder. Weil der mit einer Hafenrundfahrt leicht zu erreichen ist, habe ich es gemacht und neugierig einen Blick auf das Schiff geworfen.
Auf den Fotos wirkt das Schiff gar nicht so riesig, wie es in Wirklichkeit ist. Ein hilfreicher Maßstab könnten die gelben Rettungsboote sein, die auf dem dritten Foto zu sehen sind. Sie sehen klein aus, jedes davon hat aber genug Platz, um 440 Passagiere aufzunehmen.
Eigentlich könnte ich zum Anleger auf Steinwerder schwimmen, er liegt nämlich in Sichtweite der HafenCity. Oft sieht man die Schornsteine der Schiffe von den Landungsbrücken aus und dann wundere ich mich immer, wie nahe der Kai ist. Trotzdem ist es nicht einfach, dorthin zu kommen. Öffentliche Verkehrsmittel haben den Ort bisher weitläufig umfahren. Bleibt also nur die Taxe. Nach ca. 20 Minuten und einer Sightseeing-Tour durch den industriellen Hafen stehe ich erstmals vor dem gewaltigen Schiff. Meine Güte, was für ein Klotz. Ich habe ein Zeitfenster für das Boarding, fürchte aber lange warten zu müssen. Es drängen sich Tausende im Terminal, alle mit demselben Ziel, das auch ich habe. Aber es geht überraschend schnell. Die Reederei hat die Logistik bestens im Griff und weiß, wie man große Menschenmengen ‚verarbeitet‘. Ich zeige mein Ticket, lege den Reisepass vor und schon bekomme ich meine Bordkarte. Fertig, ab jetzt bin ich eine von den vielen Gästen.
Pünktlich um 18:00 Uhr startet die Hauptmaschine. Ein sanftes Vibrieren ist zu spüren. Die Schiffsschrauben setzen sich in Bewegung. Ihre Rotation wirbelt das Wasser auf und das verursacht ein deutlich wahrnehmbares Geräusch. Da meine Kabine am Heck liegt, kann ich es auch nachts hören. Es stört mich aber nicht, im Gegenteil, es wirkt beruhigend. Solange mich dieses Wusch-Wusch-Wusch begleitet, ist alles in bester Ordnung.
Weil wir Anfang Dezember haben, ist es draußen längst dunkel. Ich habe mir den Luxus einer Balkonkabine gegönnt, was im Winter überflüssig zu sein scheint. Aber als ich das erste Mal dort draußen stehe, freue ich mich über die Aussicht und dass sie mir rund um die Uhr zur Verfügung steht.
Die Kabine ist wunderbar. Ich bin sehr positiv überrascht. Alles ist blitzblank und nett eingerichtet. Gut, es ist eine Doppelkabine, aber neben dem Doppelbett habe ich auch noch ein großes Sofa und einen bequemen Dreh-Sessel zur Verfügung. Dazu eine stabile Tischplatte mit einem raffiniert eingebauten Spiegel in einem verdeckten Fach. Die Sanitärzelle ist genau richtig. Natürlich haben die Konstrukteure um jeden Zentimeter Platz gerungen, aber er ist ausreichend vorhanden. Eine Duschkabine, ein WC und ein Waschbecken stehen zur Verfügung. Auch hier fällt mir die makellose Sauberkeit auf. Ja, hier fühle ich mich wohl und das Bett hält, was es verspricht. Es ist mollig warm und sehr bequem. Es dauert gar nicht so lange und mir fallen die Augen zu. Das war alles sehr aufregend und doch nur der Anfang.
Das Schiff ist auf dem Weg nach Southampton. Vor uns liegen 527 Seemeilen, knapp 1.000 km. Die AIDAnova wird für die Strecke 36 Stunden benötigen, denn die Kreuzfahrer sind keine Rennpferde. Man zuckelt mit 17/18 Knoten über das Meer, was gut 30 km/h entspricht. Aber das passt hervorragend, denn die Welt, die da vor mir liegt, ist ohne Frage eine ganz andere und für mich eine ganz und gar neue. Das Wasser und der Himmel sind pechschwarz, leider sind keine Sterne zu sehen, und doch hat es tiefe Wirkung auf mich. Hier ist alles entschleunigt, hier gelten andere Gesetze, die nicht menschengemacht sind, sondern von Mutter Natur diktiert werden. Die meisten Passagiere sind jetzt in einer der 16 Restaurants oder 23 Bars. Vielleicht sitzen sie im bordeigenen Kino und schauen sich ‚Das Wunder von Manhattan an‘ oder sie tanzen mit den ‚Dancing Waves‘ im Beach Club. Ich beneide sie um ihre Energie, aber für mich ist das nichts. Ich bleibe lieber in der Kabine, schaue immer mal wieder nach draußen und fühle mich sehr beglückt.