HMS Portland

Eine der ältesten Radiosendungen, das Hafenkonzert, höre ich gerne. Letzten Sonntag hatte man ein spannendes Thema ausgesucht. Es ging um Annaliese Teetz, ein Name, mit dem ich gar nichts anfangen konnte. Ich erfuhr, dass Frau Teetz die erste Frau mit Kapitänspatent in Deutschland war. Sie wurde 1910 geboren, natürlich in Hamburg, wo sonst, und wollte schon als Kind unbedingt zur See fahren.  Kaum war sie volljährig, heuerte sie auf einem Fischdampfer an. Etliche Jahre diente sie als Matrose auf hochseetauglichen Schiffen. Aber sie war stets als Mann verkleidet, denn sonst hätte man ihr keine Chance gegeben. Frauen an Bord waren generell unerwünscht und in als Mitglied der Mannschaft undenkbar.

Während des Zweiten Weltkrieges änderte sich alles. Plötzlich brauchte man sie und übertrug ihr das Kommando über ein kleines Küstenmotorschiff. Endlich konnte sie ihre Tarnung ablegen und erstmals als Frau erkenntlich auftreten. Erst 1955 machte sie dann ihr Kapitänspatent, allerdings gegen erheblichen (männlichen) Widerstand. Über zehn Jahre lang fuhr sie dann als Offizier (damals gab es keine weibliche Form für diesen Begriff) für eine Hamburger Reederei, wurde jedoch niemals als Kapitänin eingestellt. Im hohen Alter von 82 Jahren starb Annaliese Teetz bei einem Bootsunfall. 

Am selben Sonntag, als ich von der spannenden Biografie erfahren hatte, machte ich nachmittags einen Spaziergang entlang der Landungsbrücken. Dort lag ein Marineschiff an der Überseebrücke. Gut versteckt, was nicht alleine der grauen Tarnfarbe geschuldet war, sondern auch dem Liegeplatz. Wer immer dort vor Anker geht, wird nämlich in voller Länge vom Museumsfrachter ‚Cap San Diego‘ verdeckt. Leider konnte ich das Marineschiff nicht besichtigen, noch war die Gangway für Besucher gesperrt. Mir blieb also nur ein Blick mit dem Teleobjektiv und das reichte aus, um zu erkennen, dass es sich ganz offensichtlich um einen Besuch aus dem Vereinigten Königreich handelte. Der Union Jack flatterte unübersehbar am Heck der Fregatte.

 

Nur aus der Ferne kann man die Schiffe sehen, die an der Elbseite der Überseebrücke festgemacht haben. Von Land aus werden sie vom Museumsschiff ‚Cap San Diego‘ verdeckt. Wer will, kann allerdings auf den Ponton gehen und steht dann direkt vor dem Schiff. Mir ist das zu wackelig, da wird mir schnell schwindelig. Seetüchtig bin ich vermutlich nicht.

 

Schade, dass es mit einem Besuch an Bord nicht klappte, so dachte ich mir, denn die britische Navy ist für einen Lacher immer gut. Eines ihrer Flagschiffe, die ‚Prince of Wales‘, ein stolzer Flugzeugträger, macht seit Monaten Schlagzeilen. Seit seiner Indienststellung im Jahr 2019 ist er eigentlich nicht weit gekommen. Erst gab es einen Wasserschaden, der von der Marineleitung zunächst als ‚gering‘ eingestuft wurde. Als dann aber der Wassereinbruch das Schiff fast zum Kentern brachte, gab man zerknirscht zu, dass da wohl einiges undicht sei. Es folgten Monate in der Werft zwecks Reparatur. Anschließend sollte es endlich auf große Fahrt gehen. Man war zu einem Manöver vor der Ostküste der USA eingeladen worden und stach pünktlich von South Hampton aus in See. Weit kam man nicht, denn schon auf Höhe der Isle of Wight, also noch in Sichtweite, traten unüberhörbare Probleme auf. Es knirschte, quietschte und qualmte so gewaltig, dass auch dem letzten Leichtmatrosen klar wurde, dass da etwas nicht stimmte. Eine der beiden gewaltigen Schrauben blockierte und wollte sich partout nicht länger drehen. Ihre Antriebswelle, die bis in den Motor führt, war heiß gelaufen. Die Folgen waren gewaltig. Kaputte Welle, Schaden an der Maschine und jede Menge Gelächter bei den Landratten. Besonders als der Grund für das Desaster bekannt wurde: Der Maschinist hatte vergessen, die Welle einzufetten! Very british.

Ich witterte also viel Unterhaltung an Bord der HMS Portland, aber ich kam leider nicht auf das Schiff. Also blieb mir nur die trockene Recherche im Internet. Und prompt wurde ich fündig. Das Schiff war das erste große britische Kriegsschiff, dass unter weiblichen Kommando fuhr. Commander Sarah West wurde im Mai 2012 auf den Posten berufen. Damit stand sie im Rampenlicht, denn das passiert selbst in UK nicht jeden Tag. Die Dienstzeit war aber schneller beendet als geplant. Schon zwei Jahre später dankte Sarah zähneknirschend ab. Der Grund war erneut very british: Sie hatte ein intimes Verhältnis mit einem Offizier angefangen. Das kann nicht akzeptiert werden und vermutlich haben etliche altgediente Sea Lords in ihren Clubs den Kopf geschüttelt und fühlten sich bestätigt, dass Frauen auf gar keinen Fall auf ein Schiff gehören.

Schließlich entdeckte ich noch einen Hubschrauber an Bord der HMS Portland. Die Abkürzung steht übrigens für ‚Her Majesty’s Ship‘ oder neuerdings ‚His Majesty’s Ship‘. Ja, alle britischen Kriegsschiffe gehören dem König, genauso wie die Schwäne auf der Themse, die Delfine vor Cornwall und die gesamte Küste rund um die Insel. Was lange Zeit sinnlos schien, spült seit etlichen Jahren sehr viel Geld in die königliche Kasse. Der Besitz des Küstenstreifens hat sich als Goldader entpuppt, denn dort stehen die Windräder der Energieversorger und die müssen der Krone Pacht bezahlen!

 

Man muss genau hinsehen, um die HMS Portland zu entdecken. Als Erstes fiel mir die Flagge auf und erst dann sah ich den Kampfhubschrauber, der am Heck des Schiffes seinen Platz hat.

 

Der Hubschrauber sah etwas komisch aus, aber es ist wohl üblich, dass alles an Bord möglichst platzsparend untergebracht wird. Man hatte die langen Rotorblätter auf eine Seite geschoben und wohl auch ein wenig gekürzt. Ich glaube, der Motor lief, denn ein hohes Pfeifen war deutlich zu hören und einige Soldaten waren in und an dem Fluggerät zu sehen. Wollten sie ihn für Besucher klarmachen? Vielleicht Rundflüge über dem Hafen anbieten? Auch das wäre very british. Vielleicht ein wenig gefährlich, aber auf jeden Fall sehr amüsant und damit ganz nach dem Geschmack des Engländers.

Nachdem ich über die HMS Portland und ihre Geschichte gelesen habe, würde ich allerdings höflich ablehnen, selbst wenn man mir einen Freiflug anbieten würde. Da gab es nämlich einen merkwürdigen Zwischenfall. Der ereignete sich im Dezember 2004. Das Schiff war auf hoher See unterwegs und man glaubte einen Mann im Wasser entdeckt zu haben. Der Alarm ‚Mann über Bord‘ versetzte alle in Aktion. Auch die Hubschrauber Crew startete sofort einen Rettungseinsatz, der tragisch scheiterte. Der Helikopter versank in den Fluten und alle vier Besatzungsmitglieder verloren ihr Leben. 

Die HMS Portland hat Hamburg erstmalig besucht und ist inzwischen wieder auf hoher See. Aktuell kurvt sie mit knapp 12 Knoten durch den Englischen Kanal. Vermutlich ist sie auf der Heimreise. Good luck and hope to see you soon again.

 

Als ich von den Landungsbrücken zurück an Land wollte, sah ich diese Jeans am Geländer hängen. Offensichtlich ein Fundstück. Nicht selten verlieren Leute ihre Handschuhe oder lassen die Mütze beim Imbissstand liegen. Aber eine Hose? Wer verliert denn seine Hose? Ich kann es Ihnen sagen. So etwas passiert den Engländern. Ich habe öfter Männer am Abend aus dem Pub wanken gesehen, die ihre Beinkleider längst ausgezogen hatten. Es scheint genetisch bedingt zu sein, denn der Engländer ist ziemlich resistent gegen Kälte. Folgerichtig wird ihm nach ein paar Pint Bier unerträglich warm und dann beginnt das Entkleiden. Very british.