Ericusspitze

Wenn schlichte Schönheit mit Liebe zum Detail gepaart wird, dann könnte der Designer aus Dänemark stammen. Arne Jacobsen ist ein typischer Vertreter dieser Wohn- und Lebenskultur. Er hat als Architekt ein Gebäude in der City Nord für die HEW entworfen. Heute finden wir dort die Vattenfall Zentrale. Deren Mitarbeiter sitzen wohl schon auf gepackten Kartons, denn der Umzug in die HafenCity steht bevor. Aber ihr altes Haus ist noch immer eine architektonische Meisterleistung. Der Däne Jacobsen hat damals (1969) ein Hochhaus entworfen, dass aus vier schmalen Scheiben besteht, die parallel gegeneinander verschoben wurden. Ein hochfunktionales Gebäude, weil es keine lichtlosen innen liegenden Räume gibt, und gleichzeitig bildschön. Noch heute, über fünfzig Jahre später, wirkt es modern. Es ist ein zeitlos elegantes Bauwerk. Ein Schüler von Arne Jacobsen hat sich ebenfalls in Hamburg mit einem Bürogebäude ein Denkmal gesetzt. Es geht um das Spiegel-Verlagshaus auf der Ericusspitze, in der HafenCity. Der Architekt heißt Henning Larsen. Er beschäftigt über 300 Mitarbeiter, die weltweit tätig sind. Was sie in Hamburg gebaut haben, ist ein echter Hingucker. Eine schnörkellose Fassade, sehr elegant, mit zahlreichen Details, die entdeckt werden wollen. Eben typisch dänisch.

 

 

Der Spiegel bezog sein neues Gebäude 2011. Damals war von der HafenCity noch nicht viel zu sehen. Erste Gebäude waren am Kaiserkai im Bau, also vor der Haustür der Elbphilharmonie, die selbst erst Anfang 2017 ihre Tore öffnete. Aber das Spiegelhaus ist am anderen Ende der Speicherstadt, nämlich auf dem Brooktorkai an der Ericusspitze zu finden. Der Name stammt aus einer Zeit, als Hamburg noch einen schützenden Wall hatte. Genau an dieser Stelle lag die Bastion ‚Ericus‘. Dahinter war das alte Stadtgebiet zu Ende und deshalb hielt man den Platz für geeignet, um dort den städtischen Teerhof einzurichten. Eine Lagerstelle für feuergefährliche Güter wie Teer, Pech, Terpentin und Schwefel. Die Straße ‚Teerhof‘ erinnert noch heute an die ehemalige Nutzung. 

Schon bald wurde das Stadtgebiet zu klein. Hamburg entwickelte sich rasant und der schützende Wall, der die Alt- und Neustadt ringsherum umgab, wurde zum Hindernis. Kurzerhand trug man die Mauern ab, wobei auch die Bastionen zerstört wurden. Auf den Resten des Ericus-Fundaments wurde eine Dampfmühle errichtet. Für lange Zeit tat sich nicht viel auf dem abgelegenen Grundstück, dass eigentlich eine kleine Halbinsel war. Erst 1935 rückten erneut Bagger an. Diesmal plante man etwas ganz Neues, nämlich eine Tiefgarage. Eigentlich ein merkwürdiger Ort für ein solches Bauvorhaben, denn das Grundwasser steht hoch. Aber der Plan ging auf und Deutschlands erste Tiefgarage öffnete auf der Ericusspitze. Sie wurde erst 2006 abgerissen bzw. verfüllt, weil damals die Arbeiten für die HafenCity begannen. Man musste das gesamte Gelände höher legen, damit es auch bei Sturmfluten sicher war. In den Jahrzehnten zuvor war die Halbinsel ein beliebter Campingplatz. Nahe am Stadtzentrum und gleichzeitig unmittelbar am Ufer der Norderelbe gelegen. Das gefiel den Besuchern gut. Noch heute scheinen die Tiere sich an diese Zeit zu erinnern, denn dort trifft man auf ungewöhnlich viele Vögel, die sich dort geschützt und sicher fühlen.

 

Möwen an der Ericusspitze. Sie sind hier ungestört und drängen sich bei Kälte dicht zusammen. Ein erstklassiger Platz am Wasser, wo sie ihre Nahrung finden.

 

Das Spiegel-Haus ist auch ein Gegenstück zur Elbphilharmonie. Beide markieren die westliche bzw. östliche Grenze der HafenCity. Früher nannte man das Gebiet ‚Großer Grasbrook‘. Dort weideten im Sommer Kühe und Schafe und im Winter kam das Wasser mit den Fluten. Eine Elbinsel, die ziemlich matschig und durchnässt war. Das wäre auch heute noch so, wenn man nicht das gesamte Terrain deutlich erhöht hätte. Trotzdem ist der Untergrund kaum tragfähig und deshalb stehen die Häuser oftmals auf Pfählen. Eine Technik, die schon unsere Vorväter kannten und nutzen. Ein Gebäude, wie das Spiegel-Haus, steht auf rund 1.000 Stahlpfählen, die bis zu 20 Meter in die Tiefe reichen. Das sind gigantische Baustellen, von denen man später nichts mehr sieht. Geht man mit diesem Gedanken durch die HafenCity, dann sind die Häuser ein wenig wie Eisberge. Eine Hälfte ist sichtbar und ein ähnliches Volumen erstreckt sich noch einmal unter der Erdoberfläche.

Das alte Verlagshaus des Spiegels hatte eine legendäre Kantine. Sie war in knallbunten Farben eingerichtet, mit leuchtenden orange und rot Tönen, die fast psychedelische Wirkung entfachten. Einen letzten Rest davon hat man mitgenommen. Es handelt sich um die Snackbar, die nachts beleuchtet ist und dann durch die Glasfassade von außen sichtbar wird. Das ungewöhnliche Design und die Farbwahl hat natürlich ein Däne ausgesucht, nämlich der Architekt Verner Panton.