Die launische Diva

Nennt man jemanden ‚Diva‘, dann ist das meistens kein Kompliment. Verbinden wir mit diesem Begriff doch eher Charaktereigenschaften wie Hochmut, Unnahbarkeit und sicherlich auch Abgehobenheit. Wörtlich bedeutet das Wort ‚die Göttliche‘. Gefeierte Sängerinnen und Schauspielerinnen werden so bezeichnet. Für Gebäude ist das Wort eher ungeeignet und doch fällt mir nichts Passenderes ein. Ich will nämlich die Gesichter der Elbphilharmonie zeigen. Eine ‚Göttliche‘ ist sie auch und außerdem recht launisch. Eine Eigenschaft, die ich auch dem Begriff ‚Diva‘ zuordnen würde. Und dann passt der Zweck des Hauses gut dazu, immerhin handelt es sich um ein Konzerthaus mit Weltrang. 

Ganz nach Stimmung ändert die Elphi ihr Aussehen. Man könnte meinen, sie wäre launisch. Erkennbar ist es an ihrem Aussehen, der technisch einmaligen Fassade, die das Umgebungslicht nicht einfach spiegelt, wie eine große Glasscheibe. Bei der Elphi ist die Außenhaut filigraner aufgebaut. Obwohl man von einer Glasfassade sprechen kann, wird die Fläche an vielen Stellen unterbrochen. Zum einen durch die Rasterfolie, mit der die Scheiben abgeklebt sind und zum anderen durch die großen und kleinen Balkone, die wie Hufeisen am Gebäude hängen.

Morgens, gleich nach dem Aufstehen, geht mein erster Blick zum Himmel. So machen wir es vermutlich alle. Scheint die Sonne oder ist es bewölkt? Zieht gar Regen auf? Oder ist es so neblig, dass man keine Wolken erkennen kann. Dann weiß man nicht genau, wie der Tag wird. Es könnte Hochnebel sein und sobald der sich auflöst, haben wir strahlend blauen Himmel. Da bleiben Unsicherheiten und deshalb ist es gut, wenn man eine zweite Meinung einholen kann. Die hole ich mir von der Elphi. Ich kann sie vom Balkon aus gut sehen, wir sind Nachbarn. Ihr Aussehen überrascht mich immer wieder, denn sie kann sich von einer Minute zur nächsten erstaunlich wandeln. Natürlich ist es lediglich die Spiegelung des Himmels, und doch wirkt es fast persönlich. Mir kommt es aber oftmals so vor, als würde sie nicht nur das Sonnenlicht reflektieren, sondern auch darauf reagieren. Manchmal sehr freudig, dann wieder eher mürrisch. Mir ist das sehr sympathisch und ich bin froh eine so anpassungsfähige Nachbarin zu haben. Das ist nämlich deutlich spannender als eine ewig graue Betonwand.