Sturmflutsaison

Ja, die gibt es tatsächlich und sie wird zeitlich zwischen dem 15. Sept. bis 31. März erwartet. Für eine Sturmflut braucht es Wasser und Wind. Für das Wasser ist letztendlich der Mond zuständig, denn seine Anziehungskraft verursacht die Gezeiten. Der Wind braucht Energie, die in Luftmassen zu finden ist, die hohe Temperaturunterschiede haben. Je größer das Gefälle, desto stärker wird der Sturm. Diese Voraussetzung ist im Winter gegeben, weil die Sonne dann weiter südlich steht und das Gebiet um den Nordpol weniger aufheizen kann.

In Hamburg ereignen sich immer wieder schwere Sturmfluten. Besonders die Flut im Februar 1962 ist den älteren Bewohnern noch immer in Erinnerung. Damals starben über 300 Menschen. Weite Teile der Innenstadt standen unter Wasser. Danach wurden die Flutmauern konsequent erhöht. Und das war gut so, denn das Wasser kam regelmäßig zurück und lief sogar noch höher auf. 1962 wurden 5,70 m gemessen, 1976 waren es 6,45 m über NHN (Normalhöhennull). Im letzten Dezember zeigte der Pegel 6,09 m an, damals wohnte ich schon in der HafenCity und erlebte die Naturkraft zum ersten Mal aus nächster Nähe.

Damit Hamburg nie wieder überspült wird, hat man die Hauptdeichlinie auf bis zu 8,90 m erhöht. In der HafenCity sieht es anders aus, denn man wollte dort keine Schutzwände haben. Die Mieter wollen auf das Wasser sehen, nicht gegen eine Spundwand. Um das Wohnen sicherzumachen, wurden außergewöhnliche Schutzanlagen erstellt. Die Deiche wurden architektonisch trickreich entworfen. Sie sehen eher nach einer eleganten Sitzlandschaft aus. Wer auf den elegant geschwungenen Stufen eine Pause macht, wird kaum auf die Idee kommen, dass er/sie auf einer Flutmauer sitzt.

Das Prinzip erkennt man am besten direkt im Hafen. Auf der Strecke zwischen Landungsbrücken und Baumwall. Dort wurde in den Jahren 2010-19 die Elbpromenade errichtet. Heute trägt sie den Namen des verstorbenen Schauspielers Jan Fedder. Die britisch-irakische Architektin Zaha Hadid hat die Promenade in ihrem ihr typischen Stil entworfen. Man findet die geschwungenen Linien auch in den Außenanlagen der HafenCity, denn dort war Frau Hadid ebenfalls führend tätig. 

 

 

Am letzten Sonntag wurde die Niederbaumbrücke kurzzeitig gesperrt. Sehr zum Ärger der Autofahrer, denn sofort staute es sich zurück. Grund war eine Routinekontrolle der Fluttore. Im Ernstfall müssen Brücken und andere Zugänge hermetisch verschlossen werden, denn sollte irgendwo eine Lücke in der Hauptdeichlinie bleiben, ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Stadt überspült wird. Alles ist auf Stand-by und die Rettungskräfte wissen genau, was sie machen müssen. Alle Straßen, die in die HafenCity führen, müssen bei Sturmflut für den Verkehr gesperrt werden und die dazu nötigen Absperrungen stehen ganzjährig am Fahrbahnrand. Die mächtigen Tore, die die Brücken abriegeln, werden hydraulisch bewegt und genau das wurde kontrolliert. 

 

 

Es hat alles funktioniert. Nach einer halben Stunde konnte die Sperrung aufgehoben werden, der Verkehr rollte wieder wie gewohnt über die Niederbaumbrücke in Richtung Elbphilharmonie. Obwohl ich vor dem Deich wohne, habe ich ein gutes Gefühl. In der HafenCity hat man nämlich das uralte Prinzip der Warften übernommen. Man hat das Gelände auf bis zu 8,50 m über NHN erhöht und gab den Häusern zusätzlich ein wasserdichtes Untergeschoss. Um trockenen Fußes hinter die Deichlinie zu kommen, wurde ein Brückensystem errichtet. Übrigens, ein Geheimtipp, falls es auf der Straße mal wieder zu voll wird. Dann nutzt man einfach die Laufwege in Höhe des ersten Geschosses. Sie sind auf ganzer Länge an der Straße ‚Am Sandtorkai‘ zu finden. Der wird unter Wasser stehen und auch die Häuser der Speicherstadt, aber die Mieter sind es gewohnt und haben sich arrangiert. 

 

 

Warten wir es ab, noch ist herrliches Spätsommerwetter. Das kann sich jedoch schnell ändern. Eines ist gewiss: Die Herausforderungen werden größer. Wir haben es (zum Teil) selbst verursacht.

 

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