Glück gehabt

Praktisch täglich gehe ich über die Brücke, die den Sandtorhafen überspannt. Sie verbindet die Straßen ‚Am Kaiserkai‘ mit dem ‚Sandtorkai‘. Wer von der Elbphilharmonie zum Baumwall will, muss über diese Brücke. Sie wurde erneuert, als das Konzerthaus gebaut wurde. Man rechnete von Beginn an, mit hohen Besucherzahlen und brauchte deshalb eine breitere Fahrbahn und deutlich breitere Fußwege. Die wurden beidseitig mit jeweils fünf Metern bemessen und doch wird es oft eng. Jeder Besucher der Elphi, egal ob Tourist oder Konzertbesucher, benutzt diesen Weg. Inzwischen weiß ich längst, wie ich am schnellsten vorankomme. Es macht einen großen Unterschied welche Seite man nutzt, ob man die Abkürzung über den Parkplatz kennt und vor allem weiß, an welchen Stellen der Kantstein satte 40 cm hoch ist. Wer hier nicht aufpasst, bricht sich beide Beine. Die ungewöhnliche Höhe ist aber keine Schikane, sondern Teil des Flutschutzes. Falls das Wasser in den Hafen drückt, dann kann es passieren, dass die Brücke überspült wird. In dem Fall bleiben den Fußgängern die nassen Füße erspart. 

 

 

Erst vor ein paar Wochen entdeckte ich das mächtige Eisenscharnier, das sich gut sichtbar quer über die Fahrbahn zieht. Klare Sache, die Brücke kann geöffnet werden, indem die Fahrbahn hochgeklappt wird. Geht ja auch gar nicht anders, denn sonst könnte kein Schiff den Sandtorhafen anlaufen. Damit das Manöver stattfinden kann, muss man sich rechtzeitig beim Hafenmeister anmelden. Leider wird nicht bekannt gemacht, wann die Öffnung stattfindet. Und so kommt es, dass ich das noch nie gesehen habe. Heute Morgen sollte sich das ändern. Mir war das Glück hold und ich nutzte die Gelegenheit. Ein lautes Hupen machte mich aufmerksam. Ich war auf dem Kaiserkai unterwegs und konnte von dort aus weder den Hafen noch die Brücke sehen. Aber das laute Signal kam eindeutig von einem Schiff und ich reagierte richtig. Eine Treppe führte direkt runter zum Kai und dort sah ich dann auch schon den Schlepper einlaufen. Hinter ihm die fast senkrecht gestellte Fahrbahn der Brücke. Die Straße hatte man mit Schranken gesperrt, die mir bislang nicht aufgefallen waren. Jetzt weiß ich, warum sie dort stehen. Davor eine lange Fahrzeugschlange und eine große Menge an Menschen. Manche fluchten über die lange Wartezeit und andere, so wie ich, freuten sich über die Gelegenheit, das einmal selbst zu erleben.

Als ich diesen Beitrag dann schreiben wollte, merkte ich, dass ich den Brückennamen nicht kenne. Da geht man täglich mehrmals über eine Brücke und kennt noch nicht einmal den Namen. Inzwischen habe ich mich informiert und herausgefunden, dass sie ‚Mahatma-Gandhi-Brücke‘ heißt. Das passt in die Namensgebung der vielen neuen Straßen in der HafenCity, aber der Sandtorhafen ist viel älter und dessen Querung auch. Ein Nachbar, der sein ganzes Leben im Hamburger Hafen verbracht hat, konnte mir helfen. Er kennt die Brücke als ‚Sandtorhafen-Klappbrücke‘ und dabei bleibt er auch. Schon damals konnte sie geöffnet werden, denn das fast ein Kilometer lange Hafenbecken hatte auf voller Länge und Breite die Tiefe für große Frachter. Heute ist es nur noch halb so lang und vermutlich auch längst nicht mehr so tief. Aber für die Museumsschiffe reicht es allemal. Sie liegen am neu geschaffenen Ponton und laden (teilweise) zur Besichtigung ein.

Wenn Sie das nächste Mal die Elbphilharmonie besuchen und zu Fuß vom Bahnhof Baumwall kommen, dann queren Sie drei Brücken, die etwas Besonderes bieten. Zunächst kommen Sie über die ‚Niederbaum Brücke‘. Dort kann man die gewaltigen Fluttore sehen, die im Fall des Falls automatisch quer über die Fahrbahn ausgefahren werden. Dort verläuft die Flutschutzmauer, die die Altstadt sicher abriegeln soll. Ab diesem Punkt bewegt man sich in ungeschützten Hochwassergebiet. Dann kommt auch schon die ‚Wilhelminen-Brücke‘. Auf ihr ist ein 27 Meter langer Orientteppich verlegt worden. Er ist aus Glasmosaik und bedeckt den gesamten rechten Fußweg. Mir gefallen die Fransen an den beiden Enden am besten. Sie sind aus den Baumwollfäden eines handelsüblichen Wischmopps gefertigt worden. Anschließend wurde das alles mit Kunstharz versiegelt und sieht nun täuschend echt aus. Und schließlich gehen Sie über die ‚Mahatma-Gandhi-Brücke‘ und über den Schlitz in der Fahrbahn, der das Aufklappen ermöglicht. Und wenn da plötzlich eine asphaltgraue Wand vor Ihnen auftaucht, dann haben auch Sie das Glück, die Brücke im geöffneten Zustand zu sehen.