Minimalismus

Eigentlich passt der Titel gar nicht zum heutigen Beitrag, denn ich will zwei Schiffe der Superlative zeigen: Die ‚Queen Victoria‘, ein Luxus-Kreuzfahrer, und die ‚Berlin Express‘, größtes deutsches Containerschiff. Und doch geht es letztlich um die Reduzierung auf das Wesentliche, denn sonst hätte ich diese Fotos gar nicht gemacht. Zur Erklärung muss ich zeitlich ein paar Jahre zurückspulen. Ich habe mich mitten im Corona-Lockdown mit dieser Lebensweise vertraut gemacht und fühlte mich damit wohl. Inzwischen habe ich das Prinzip in vielen Bereichen meines Alltags verwirklicht. Sonst würde ich gar nicht in der HafenCity leben, denn der Wohnraum ist hier teuer. Erst nachdem ich meinen Haushalt auf die Hälfte reduziert hatte und damit auch meinen Raumbedarf, passte es wieder. Meine wahre Motivation zur Begrenzung reichte aber tiefer und gilt inzwischen für viele Aspekte meines Alltags. Es gibt eigentlich nur zwei Kriterien, die ich akzeptiere, um mir irgendetwas in mein Leben zu holen. Was immer es ist, es muss entweder einem Zweck dienen (Zahnbürste, Mütze, Balkontisch …) oder es muss mir Freude machen (Parfüm, iPad, Balkontisch …). Meine Fotoausrüstung gehört ebenfalls in beide Kategorien, denn um diesen Blog zu schreiben, brauche ich die Fotos. Aber gleichzeitig macht es mir viel Spaß, Dinge abzulichten, die mich ansprechen. Früher hatte ich eine DSLR Kamera mit etlichen Objektiven, vom Weitwinkelbereich bis zum Super-Zoom. Inzwischen bin ich auf eine spiegellose Kamera umgestiegen, die viel leichter ist und trotzdem mithalten kann. Ich habe noch drei Objektive, womit ich jede Situation meistern kann. Zusätzlich habe ich eine kleine Kompaktkamera, die ich fast immer bei mir habe. Die meisten Leute machen das mit ihrem Smartphone, aber mir ist eine Kamera dann doch angenehmer, weil ich noch immer die Fotos gerne selbst am PC entwickel. Das war eine lange Vorrede, um jetzt endlich zu beginnen.

 

Noch ein wenig Geduld, dann sind wir beim eigentlichen Thema angekommen. Die Kreuzfahrer der Cunard Line. In der Mitte die ‚Queen Victoria‘ und seitlich die ‚Queen Mary 2‘. Unverkennbare sind die Bug-Linien, der schwarz-rote Rumpf und der satte Klang des Schiffshorns. Die Schiffe sind zeitlos elegant gestaltet. Wann immer die Königinnen im Hamburger Hafen anlegen, machen wir uns auf den Weg zwecks Begrüßung. „Die Stadt Hamburg ist über die Jahre zur zweiten Heimat der Cunard Queens geworden“, so steht es auf der Webseite der Reederei. Was für ein Lob für uns, denn die Engländer praktizieren ja eher das ‚Understatement‘.

 

Vor wenigen Tagen habe mir eine neue Kompaktkamera geleistet, sozusagen als nachträgliches Weihnachtsgeschenk. Sie passt problemlos in meine Handfläche, obwohl das Gewicht auf viel Inhalt schließen lässt. Mein alte Kleine funktioniert noch immer, aber sie ist in die Jahre gekommen. Die Technik entwickelt sich rasant und AI (künstl. Intelligenz) ist kein Bösewicht, sondern oft verblüffend hilfreich. Fast hätte ich mir den Nachfolger meiner alten Canon gekauft, hatte dann aber den Mut zum Wechsel. So bin ich zu einer Sony Kamera gekommen, ein Hersteller, den ich bisher nie kennengelernt hatte. Jedenfalls nicht im Bereich der Fotografie. Meine Neugierde war groß, ob die Bilder wirklich so gut werden, wie in vielen Tests beschrieben. Da passte es sich gut, dass ich am nächsten Tag eine Hafenrundfahrt geplant hatte. Ganz überraschend, jedenfalls für diese Jahreszeit, hatte sich die ‚Queen Victoria‘ für einen Tag angemeldet. Ich packte also die neue Kamera ein, ohne vorher einen Blick in das Handbuch geworfen zu haben. Natürlich wird Sony das Rad nicht neu erfunden haben, aber jeder Hersteller zeigt Kreativität, wenn es um die Bezeichnung der Funktionen geht. Beispielsweise heißt der wichtige Bildstabilisator bei Canon ‚IBIS‘, bei Nikon ‚VR‘ und bei meiner brandneuen Sony ‚BOSS‘. Wenn man das nicht weiß, versteht man das Handbuch nicht und kann im Menü nichts einstellen. Also habe ich die Finger davon weggelassen und umschiffte meine Wissenslücke, indem ich mich um gar nichts kümmerte. Ich wählte einzig den Automatik-Modus aus und überließ alles andere der Kamera. Meine Erwartungen waren nicht allzu hoch. Viel wichtiger war mir das fantastische Wetter. Pünktlich zum lang geplanten Ausflug schien endlich die Sonne und es war auch noch die ‚Berlin Express‘ im Hafen angekommen. Doppel Bingo! Sollten die Fotos nichts werden, dann wäre das für den Erfolg des Tages nicht entscheidend.

Erst einmal suchte ich mir einen gut geschützten Platz in der gemütlichen Kabine aus. Das war für mich neu, denn normalerweise stehe ich auf dem offenen Oberdeck, wo man freien Rundumblick hat. Aber dafür war es diesmal entschieden zu kalt. Die Sonne brachte zwar gleißende Helligkeit, aber keine Wärme. Beides übrigens keine idealen Bedingungen für die filigrane Technik eines Fotosensors. Das Thermometer stand auf minus 8 Grad, mit der Tendenz sogar noch tiefer zu fallen. Da schützt dann auch keine Wollmütze mehr, da hilft nur noch die bordeigene Heizung. Es waren nur wenige Passagiere gekommen, wir verteilten uns an den vorderen Tischen. Jeder hatte seinen Fensterplatz, nur ich saß in der Mitte. Die Erfahrung sagte mir, dass das strategisch der beste Ort ist, denn man weiß nicht, wo die Motive auftauchen. Steuerbord (rechts) oder Backbord (links)? Ein guter Kapitän wird das Schiff so lenken, dass die Fahrgäste auf beiden Seiten in den Genuss des Anblicks kommen. So war es dann auch an diesem Morgen. Zuerst fuhren wir zum Container Terminal am Burchardkai. Dort lag die ‚Berlin Express‘ in voller Länge und das sind sage und schreibe 400 Meter. Gleich dahinter hatte ein Containerschiff von der Reederei Evergreen geparkt und das ist auf den Zentimeter genauso lang. Das waren also fast 1 Kilometer Schiffswand! Ein beeindruckendes Bild, das man nicht fotografiert, sondern automatisch im Kopf abspeichert. Das Hamburger Wappen zierte aber nur einen Bug, nämlich den der ‚Berlin Express‘. Sie hat ihren Heimathafen in Hamburg. Der Chinese dahinter, hatte auf dem Vorschiff die deutsche Flagge gehisst, so gehört es sich, wenn man zu Besuch kommt. Am Heck flattern die eigenen Nationalfarben.

 

 

Nach einstündiger Fahrt legten wir wieder an. Ich war voller aufregender Eindrücke, dazu das tolle Wetter, was will man mehr? Ich hatte einige Fotos gemacht, allerdings alle aus dem Innenraum heraus. Also durch die Scheiben. Die waren sauber geputzt, sind aber trotzdem dem Spritzwasser ausgesetzt, das dicke Tropfen hinterlässt. Dazu das dicke Glas, dass natürlich wie ein Schleier wirkt. Da konnte ich keine hervorragenden Ergebnisse erwarten, war aber doch gespannt auf Farben, Schärfe, Belichtung usw. Umso größer mein Staunen. Die kleine, fast winzige Kamera, hatte beste Arbeit unter sehr erschwerten Bedingungen geleistet. Fast immer gab es Spiegelbilder in der Scheibe, aber auch die wurden realitätsgetreu von dem technischen Wunderding aufgenommen. Manchmal ergab das höchst interessante Reflexionen mitten im Bild. Man sieht es auf dem Panorama, aber auch bei den beiden Schiffen. Nur die Aufnahme vom Innenraum ist davon frei. Nun werde ich mich an das Handbuch machen und dann mal sehen, welche versteckten Funktionen ich noch gar nicht entdeckt habe. Auf jeden Fall war die Anschaffung richtig und wird bei mir eindeutig in die Schublade der bereichernden Dinge einsortiert. Ja, so macht das Fotografieren Freude, denn weder Gewicht noch technische Ausstattung belasten die Foto-Tour. Und damit ich meinen hart erarbeiteten Minimal-Haushalt nicht Stück für Stück wieder aufblähe, werde ich die alte Kamera dem Händler zum Kauf anbieten. Da gibt es dann sogar noch ein wenig Geld zurück und alles ist wieder im Lot.