U-Boot vor Altona

Die ganze Welt hört gebannt Nachrichten. Zwei Milliardäre haben sich eine Tauchfahrt zur Titanic gekauft und sitzen jetzt irgendwo zwischen Himmel und Hölle fest. Einer von ihnen hat sogar den Sohn mitgenommen. Der Sauerstoff geht zur Neige und die Chancen auf Rettung sind gering. Selbst wenn das Mini-U-Boot an der Wasseroberfläche schwimmen sollte, können sie es nicht verlassen. Vor dem Tauchgang wurde die Luke mit einem Bolzen von außen fest verschlossen. Es wird ihnen also auch dann in absehbarer Zeit die Luft zum Atmen fehlen. Wie kann man sich auf ein solches Abenteuer einlassen? Für viel Geld an einem Himmelfahrtskommando teilnehmen? Ich könnte mir vorstellen, dass die Hobby-Abenteurer eine völlig falsche Vorstellung von ihren Möglichkeiten haben. Sie hatten ja schon an anderen waghalsigen Touren teilgenommen, stets gegen extrem hohe Bezahlung. Und da ist dann auch ein perfekter Service inbegriffen. Da werden alte Männer, die unbedingt noch einmal den Mount Everest bezwingen wollen, von Sherpas auf den Gipfel getragen. Im Notfall wird die Sauerstoffmaske gereicht. Der Trip zum Südpol, den einer von ihnen gemacht hat, muss ähnlich organisiert gewesen sein, schließlich war ein 84-Jähriger mit an Bord. Da wird man nicht aus eigener Kraft die Strecke bewältigt haben, sondern nur mit viel Unterstützung und zahlreichen Helfern. Und jetzt sitzen sie in ihrem U-Boot, ganz alleine ohne Support, und merken, dass sie sich völlig überfordert haben. Hoffentlich geschieht ein Wunder, hoffentlich werden sie lebend gefunden und hoffentlich hat die unvorstellbare Angst, die sie durchleiden müssen, keine unheilbaren Folgen.

Dramatischer Einstieg in eine Geschichte über ein U-Boot. Eines, das viel größer ist, und sicher an Land vertäut wurde. Es trägt die Nummer U-434 und lädt Hafenbesucher zum Rundgang ein. Ein Museumsschiff, das in früheren Zeiten der Marine zur Verfügung stand. Allerdings nicht der deutschen, sondern der russischen. U-434 war eines der weltweit größten konventionell angetriebenen U-Boote der sogenannten Tango-Klasse. Im Zweiten Weltkrieg gab es ein deutsches U-Boot mit derselben Bezeichnung, das allerdings schon auf der ersten Feindfahrt von britischen Wasserbomben aufgebracht und zerstört wurde. Das Museumsschiff am Altonaer Fischmarkt hieß eigentlich B-515 als es in Nischni Nowgorod (früher: Gorki) an der Wolga gebaut wurde. Von 1976 bis 2002 stand es im Dienst der sowjetischen Nordflotte. Dann wurde es außer Dienst gestellt und für eine Million Euro an Investoren verkauft, die es nach Hamburg brachten. Vor der kostspieligen Reise am Schlepptau nach Hamburg hatten die Russen viele technische Anlagen demontiert, vor allem die Waffen- und Steuerungssysteme, die der Geheimhaltung unterlagen. In Hamburg angekommen wurden noch einige große Löcher in den Rumpf geschnitten, um den späteren Besuchern einen bequemen Ein- und Ausgang zu ermöglichen. Mit anderen Worten, das U-Boot kann weder aus eigener Kraft schwimmen, geschweige denn tauchen. 

Vermutlich ist der Besuch an Bord ziemlich spannend. Ein Foto zeigt wie beengt es dort ist, aber auch wie technisch komplex alles angeordnet wurde. Ich konnte mich trotzdem bisher nicht zum Rundgang durchringen. Ich bin ein Angsthase und verliere möglicherweise die Kontrolle in der engen Röhre. Das will wirklich niemand erleben, weder ich noch die anderen Besucher. Also schleiche ich stets im sicheren Abstand um das Ding herum.

 

Fotograf: Holger Ellgaard, veröffentlicht in Wikipedia. Lizenz: Holger.Ellgaard, U-434 Hamburg 2010a, CC BY 3.0

 

Ein lustiges Detail fand ich über die Ausstattung des U-Boots. Man hatte die Außenseite mit einer dicken Gummischicht überzogen. Damit konnte man sehr erfolgreich verhindern, dass andere Schiffe sie aufspüren konnten. Ihre Sonar-Signale wurden nicht reflektiert, sondern einfach vom Gummi verschluckt. Die simple und ziemlich rustikale Lösung hatte aber eine unangenehme Nebenwirkung. Die zusätzliche dicke Außenhaut wärmte das Boot schnell auf und im Inneren schwitzten die Männer bei Temperaturen um 40° Celsius. Also Vorsicht bei der Umsetzung von Wärmedämm-Vorschriften, die gerade Hochkonjunktur haben. Bloß nicht übertreiben.

Offen gesagt, hatte ich von dem U-Boot noch nie etwa gehört. Es liegt am St. Pauli Fischmarkt, gar nicht weit von den Landungsbrücken entfernt. Bei einem Spaziergang habe ich es zufällig entdeckt und konnte damit erst einmal gar nichts anfangen. War die Marine zu Besuch? Oder hatte sich das Ding in der Elbe verfahren? Übersehen kann man es nicht, denn es ist 90 Meter lang und hat eine Taillen-Breite von fast 9 Metern. So ein Schiff übersieht man nicht, aber dann merkte ich schnell, dass es wohl gar nicht mehr fahren konnte und schließlich stolperte ich über das Willkommensschild des Museumsvereins.

 

 

Jetzt halte ich regelmäßig Ausschau, wenn ich dort unterwegs bin, sowohl von der Land- als auch von der Wasserseite. Für ein Foto ist das U-Boot immer ein tolles Motiv. Und wer weiß, vielleicht werde ich es doch noch einmal besuchen? An einem Tag, an dem ich mutig genug bin und zumindest mal einen Blick hineinwerfe. Geht es Ihnen auch so oder nur mir? Irgendwie sind U-Boote unheimlich, wahrscheinlich hat es mit ihrer Verwendung in Kriegszeiten zu tun. Sie schleichen sich unbemerkt an und schicken den tödlichen Torpedo los. Und das Drama, das sich gerade über der Titanic abspielt, verstärkt das Unbehagen. Das ist schon merkwürdig, denn damals, vor 111 Jahren versank das Schiff und mit ihm gingen etliche der vermögendsten Männer und Frauen in den Fluten unter. Nun kämpfen erneut Milliardäre um ihr Leben, dass sie für einen Blick auf die Titanic riskieren.