Container-Riesen im Hafen

Die Erfindung des Containers hat die Häfen weltweit revolutioniert. Die Stahlboxen sind alle gleich groß, haben aber merkwürdige Abmessungen: 12,192 m lang / 2,438 m breit / 2,591 m hoch. Dafür gibt es einen Grund, der Erfinder war ein Amerikaner. Rechnet man es in ‚foot‘ um, dann ist der Standard Container 40 x 8 x 8,5 ft groß. Das klingt schon vernünftiger. Auf den Containerschiffen und in den Terminals sind allerdings die kleineren Boxen üblich, genau halb so groß, und deshalb als 20 ft Container bekannt. Aktuell reisen davon ca. 15 Millionen Stück über die Meere oder warten im Hafen auf den Weitertransport.

Dort wartete auch das Schiff, das einen Tag vorher am Burchardkai festgemacht hatte. Es gehört zur Evergreen-Reederei, die Schlagzeilen machte, als sich eines ihrer größten Containerschiffe im Suezkanal quer gelegt hatte. Die Reederei sitzt in Taiwan und lässt ihre gigantischen Schiffe in Südkorea und China bauen. Sie sehen alle gleich aus, mit einem satten grünen Anstrich über dem roten Kiel. Und auch die Namen der Schiffe ähneln sich, denn sie beinhalten immer das Wort ‚Ever‘. 

Seit zwei oder drei Jahren bauen sie die sogenannte A-Klasse. Das sind die größten Containerschiffe der Welt. Sie tragen Namen am Bug, wie: Ever Act, Ever Ace oder Ever Aim. Diese Schiffe pendeln zwischen Fernost und Europa und machen regelrechte Rundreisen. Sie dauern drei Monate, führen von Shanghai über Singapore nach Felixstowe (Londoner Hafen) und dann nach Hamburg. Von dort startet man dann nach Rotterdam, durch den Suezkanal und läuft schließlich Colombo (Sri Lanka) an.

Leider bekommt man als Besucher im Hamburger Hafen wenig von der aufregenden Welt der Container Schiffahrt mit. Die Terminals liegen ausser Sichtweite am Waltershofer Hafen. Nur wer in Oevelgönne wohnt, kann mit eigenen Augen sehen, wie die Riesen einparken. Grundsätzlich rückwärts, denn falls etwas passieren sollte, etwa ein Feuer an der Kaianlage, dann müssen die Schiffe in der Lage sein, notfalls aus eigener Kraft das Hafenbecken zu verlassen. Im Normalfall werden sie aber ganz sanft an die Hand genommen und in die Fahrrinne gezogen. Erstaunlicherweise von einem einzigen Schlepper. Ein zweites Tug-Boat wird am Heck seine Leine festgemacht haben, er dient aber nur zur Kontrolle der Steuerung.  

Als ich meine Fotos machte, lag die Ever Art an der Kaimauer. Sie war im Begriff auszulaufen. Ein Schlepper hatte sich bereits eingefunden. Winzig klein sah er aus, als da vor dem Bug des gewaltigen Containerschiffes wartete. Die Offiziere auf der Brücke würden ihn gar nicht sehen, denn der optische ‚blinde Winkel‘  von dort oben in Fahrtrichtung ist ziemlich groß. Die Ever Art ist 400 Meter lang, 61,5 Meter breit und hat einen Tiefgang von 17 Metern. Das ist für die Elbe und den Containerhafen eine Herausforderung. Auch deshalb sind die großen Terminals vor dem Elbtunnel zu finden, denn sollte ein solches Schiff dort versehentlich den Grund berühren, dann wäre es eine Mega-Katastrophe. Der alte Seglergruß: ‚Immer eine handbreit Wasser unter dem Kiel‘, gilt auch in der Welt der Container-Riesen. Jedenfalls dann, wenn sie sich die Elbe hoch tasten. Das muss minutiös mit der Tide abgestimmt sein, und auch mit der Beladung, sonst geht es schief.

 

Da liegt sie, die Ever Art. Ein Koloss, 400 Meter lang. Wäre sie vollbeladen, würde sie vermutlich im Elbe Schlick versinken. Sie kann 24.000 TEU tragen, womit wir erst mal nichts anfangen können, denn was sind bitte ‚TEU‘? Die Antwort ist simpel, es ist die Abkürzung für 20 ft Container (Twenty-foot Equivalent Unit). Das Schiff ist kurz vor dem Auslaufen, denn die Maschine wurde gestartet. Eine helle Dampfwolke quillt aus dem Schornstein am Heck. Nun fehlt nur noch der Schlepper, der bereits in Warteposition liegt.

 

Ich hatte jedenfalls Spaß. Bestes Wetter, tolle Bilder und dann noch ein emotionales Highlight. Der Kapitän legte unser winziges Boot direkt vor den Bug der Ever Art und stellte die Maschine ab. Da war dann Totenstille an Bord. Alle reckten den Kopf hoch und schauten mit weit aufgerissenen Augen zum Bug. Könnte man sich retten? Wäre es möglich mit einem gewaltigen Kopfsprung ins Wasser dem Schiff auszuweichen? Nein, ganz bestimmt nicht. Unser Schiff würde von dem Riesen verschluckt werden und schließlich im aufgewühlten Heckwasser geschreddert an die Oberfläche kommen. Trotzdem ein toller Moment und ein unvergesslicher Anblick. Als dann die Maschine wieder startet und wir sanft an Fahrt gewinnen, sind alle irgendwie erleichtert. Das Abenteuer haben wir gemeistert.